Wo ist in dieser komplexen Fabrikanlage das Gasleck? Zukünftig könnten fliegende Schnüffler Menschen die gefährliche Suche abnehmen: Forscher haben winzige Drohnen entwickelt, die gemeinsam Gasquellen in unübersichtlichen Räumen ausfindig machen können. Ihre Fähigkeiten basieren dabei auf einer Bio-inspirierten künstlichen Intelligenz. Das Konzept könnte auch bei weiteren Anwendungen zum Einsatz kommen, sagen die Entwickler.
Weitläufige Anlagen mit verschlungenen Leitungssystemen, engen Zwischenräumen und vielen Hindernissen: Industriegelände sind oft hochkomplex aufgebaut – dort ein Gasleck an einem Stellrad oder Verbindungsstück zu finden, ist eine knifflige Aufgabe. Bisher müssen sich dazu Menschen mit Spürgeräten auf die Suche machen. Das Auffinden der Gasquelle kann dabei viel Zeit in Anspruch nehmen und ist möglicherweise gefährlich. Diese Aufgabe von einem Roboter erledigen zu lassen, war bisher jedoch schwierig. Denn künstliche Sensoren können nur schlecht Änderungen der Gaskonzentration erkennen. Außerdem waren bisherige Roboter oder Drohnen mit entsprechender Ausrüstung vergleichsweise groß, was ihren Einsatz in komplexen Umgebungen einschränkte.
Alternative: Mehrere kleine Einheiten
So kamen die Forscher um Guido de Croon von der Technischen Universität Delft auf die Idee, statt eines einzelnen autonomen Suchgeräts viele kleine Einheiten einzusetzen, die gemeinsam die Leistung erbringen. “Wir sind überzeugt, dass Schwärme von winzigen Drohnen ein vielversprechender Weg für die autonome Lokalisierung von Gasquellen sind. Denn die geringe Größe ermöglicht es ihnen, auch unter beengten Verhältnissen zu fliegen und komplexe Umgebungen dreidimensional zu erkunden”, sagt de Croon. Außerdem ermöglicht es der Einsatz der unterschiedlich positionierten Einheiten besser, Konzentrationsgefälle zu erfassen, um die Gasquelle schließlich aufzuspüren, sagen die Wissenschaftler.
Die Herausforderung bei der Entwicklung ihrer nur zwölf Zentimeter breiten und 37,5 Gramm schweren Schnüffel-Schwarm-Drohnen war es, sie mit allen nötigen Komponenten sowie einer künstlichen Intelligenz zur autonomen Navigation und Kommunikation auszustatten. Die Begrenzungen schlossen dabei Systeme aus, wie sie etwa bei selbstfahrenden Autos eingesetzt werden. Stattdessen suchten sich die Wissenschaftler Inspiration in der Natur.
“Tatsächlich gibt es zahlreiche biologische Beispiele für eine erfolgreiche Navigation und Geruchsquellenlokalisierung bei stark beschränkten Kapazitäten”, sagt Co-Autor Bart Duisterhof. “Denken Sie nur daran, wie Fruchtfliegen mit ihren winzigen Gehirnen von nur etwa 100.000 Neuronen zielsicher die Bananen in Ihrer Küche lokalisieren. Obwohl wir diese Verhaltensweisen nicht direkt kopieren konnten, haben wir ihnen ähnlich einfache Verhaltensweisen beigebracht, um die Aufgabe zu bewältigen”, erklärt Duisterhof. Neben dem Suchverhalten von Insekten ließen sich die Wissenschaftler auch vom Verhalten von Vogelschwärmen beim Design ihres Systems inspirieren.
Bio-inspirierte künstliche Intelligenz
Wie sie erklären, wird das grundsätzliche Verhalten der Drohnen dabei von einem speziellen Algorithmus bestimmt, den sie als “Sniffy Bug” bezeichnen. Solange keine der Einheiten Gas wahrgenommen hat, verteilen sich die Quadrocopter so weit wie möglich über die Umgebung, wobei sie Hindernissen und sich gegenseitig ausweichen. Wenn eine der Drohnen an ihrem Standort dann allerdings Gas wahrnimmt, sorgt ein weiterer Algorithmus für das Kollektivverhalten: Die Drohnen kommunizieren miteinander und stimmen sich ab, um die Gasquelle schließlich systematisch einzukreisen. Dabei muss eine einzelne Drohne nur die jeweilige Gaskonzentration messen, nicht aber den Gaskonzentrationsgradienten oder die Windrichtung erfassen.
Durch Tests konnten die Wissenschaftler bereits verdeutlichen, dass ihre Drohnen-Schwärme erfolgreich in komplexen Umgebungen Gaslecks ausfindig machen können. Allerdings sind noch Optimierungen bis zu einem funktionsfähigen Produkt nötig, betonen de Croon und seine Kollegen. Sie arbeiten nun daran, vor allem die Navigationsfähigkeiten ihrer kleinen Schnüffler weiter zu verbessern, um sie für Einsätze bei echten Notfallszenarien fit zu machen.
Sie sehen zudem ein breiteres Einsatzpotenzial für ihr System: Die entwickelten Algorithmen könnten nicht nur für das Aufspüren von Gaslecks in Gebäuden nützlich sein, sondern etwa auch bei Drohnen zur Früherkennung von Krankheiten oder Schädlingen in Gewächshäusern. Sogar bei der Erkundung des Mars könnten entsprechend ausgerüstete Drohnen-Schwärme zum Einsatz kommen – etwa um Methanquellen zu lokalisieren. “Unsere Arbeit zeigt, dass Schwärme von winzigen Drohnen sehr komplexe Aufgaben erfüllen können”, sagt de Croon. “Wir hoffen, dass diese Arbeit eine Anregung für andere Robotikforscher darstellt, diese Art von künstlicher Intelligenz in ihre Entwicklungen im Bereich autonomes Fliegen einzubeziehen.”
Quelle: TU Delft