Doch auf der diesjährigen Jahrestagung der Brennstoffzellen-Branche in Orlando, Florida, vom 17. bis 20. November 1996, hat die Geheimhaltung ein Ende: Dort wird Kraus den aus aller Welt angereisten Zuhörern das auf den Namen “Hot Module” getaufte Brennstoffzellen-Aggregat vorstellen.
Er kann mit Aufmerksamkeit rechnen. Nicht nur, daß der neue Kraftwerkstyp sämtliche bekannten Vorzüge der Brennstoffzelle ausspielt: mehr Strom aus fossilen Energieträgern als jede andere Technik, sondern das auch noch konkurrenzlos emissionsarm. Denn praktisch verlassen nur Kohlendioxid und Wasserdampf das Aggregat. Strom aus Gas – mit bis zu 65 Prozent Wirkungsgrad: eine faszinierende Chance.
MTU-Manager Michael Bode ist überzeugt: “Mit dieser Entwicklung setzen wir uns in punkto Wirtschaftlichkeit bei Brennstoffzellen-Kraftwerken international an die Spitze.” 650 Grad Celsius genügen den MTU-Entwicklern für einen willkommenen Effekt: Bei dieser Temperatur werden in der Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle alle Arten von Kohlenwasserstoff-Brenngasen in Wasserstoff und Kohlendioxid aufgespalte Michael Bode setzt auf die Kompaktheit und Mobilität des Hot Module. Ein ausführliches Interview lesen Sie in bild der wissenschaft 11/96.
Gute Voraussetzungen also, um sich im Kraftwerksmarkt zu etablieren – im Prinzip. Doch der Weg zum Hot Module begann im Jahr 1993 mit blankem Frust. Nicht nur, daß Schmelzkarbonat-Zellen schwer zu beherrschen sind: Der 650 Grad Celsius heiße Schmelz-Elektrolyt droht die Nickel-Elektroden zu zerstören. Das verkürzte bisher die Lebensdauer der Zellen. Nach intensiver Werkstoff-Forschung betont MTU-Chemiker Dr. Manfred Bischoff, für die Zellenentwicklung verantwortlich: “Wir haben jetzt nachgewiesen, daß unsere Karbonat-Zelle 20000 Betriebsstunden hält, und steuern 40000 Stunden an”. Das sind zirka fünf Jahre, soviel wollen künftige Anwender garantiert bekommen.
Ein weiteres Problem konnten die Forscher ebenfalls lösen. “Nach einer radikalen Vereinfachung des Konstruktionsprinzips sind nur noch drei Baublöcke übriggeblieben”, erläutert Peter Kraus, Physiker bei MTU und Leiter des Programms. Dieses Kraftwerk, betont er, sei so platzsparend und mobil wie kein anderes: Es paßt mit maximal 9 Meter Länge und 2,50 Meter Breite komplett in jeden Übersee-Container und auf die Ladefläche eines Lastwagens. Ein damit beladener Lastwagen paßt weltweit unter jeder Autobahnbrücke hindurch.
Mit Argusaugen wird die Konkurrenz all dies verfolgen. Die “Konkurrenz” – das sind die Anhänger der Festoxid-Zelle (SOFC). Hier kooperiert das Forschungszentrum KFA Jülich mit RWE, Siemens und Daimler-Benz. “Wir werden jetzt ein 20-Kilowatt-Stack im Labor aufbauen”, sagt Dr. Klaus Hassmann, bei Siemens KWU in Erlangen für die Brennstoffzellen-Entwicklung zuständig. “Unser Ziel für das Jahr 2000 ist eine Pilotanlage mit 50 bis 100 Kilowatt elektrischer Leistung.” Probleme sieht Hassmann in erster Linie dabei, die Funktion des SOFC-Zellstapels im Langzeitbetrieb zu gewährleisten: Spannungseinbußen und Undichtigkeiten bereiteten noch Kopfzerbrechen. Auch in der Fertigungstechnik sei man zum Teil noch am Anfang. “Ich sehe die Schmelzkarbonat-Zelle weiter als unsere Entwicklung”, meint er, “aber nicht uneinholbar weiter. Wir rechnen uns für 2000 bis 2010 Chancen aus – dann wird’s erst richtig spannend.” Auch die MTU-Entwickler beobachten die Konkurrenzsituation ohne Schaum vorm Mund. “Ich freue mich über jede Brennstoffzelle, die heute verkauft wird”, beteuert Peter Kraus. “Jede einzelne ist ein Marktöffner für die Brennstoffzellen-Technik insgesamt – und daher ein Plus auch für uns.”