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Biokunststoffe aus Soldatenfliegen

Materialforschung

Biokunststoffe aus Soldatenfliegen
Die Soldatenfliege könnte zu einem Allrounder für die nachhaltige Kreislaufwirtschaft avancieren. © Cassidy Tibbetts

Ein Nutztier der vielseitigen Art zeichnet sich ab: Die Larven der Soldatenfliegen boomen bereits als Alternative zu Fischmehl in der Futtermittelindustrie. Doch auch in den bisher nicht verwendeten erwachsenen Insekten steckt Öko-Nutzungspotenzial, zeigen nun Forscher auf. Sie haben aus den Fliegen Rohstoffe für die Herstellung biologisch abbaubarer Kunststoffe gewonnen. Ein weiterer Clou ist dabei: Entsprechende Abfallprodukte könnten den Insektenlarven wiederum als Nahrungsquelle dienen – der Kreis lässt sich also schließen, sagen die Wissenschaftler.

Vermüllt bis ans Ende der Welt – die Menschheit hat bekanntlich mit der wachsenden Verschmutzung durch Kunststoffe zu kämpfen. Die gängigen Polymere haben dabei zwei problematische Aspekte: Für ihre Herstellung ist Erdöl nötig und sie können in der Natur kaum abgebaut werden. Als Alternativen wurden deshalb bereits erfolgreich Kunststoffe auf der Basis von natürlichen Substanzen entwickelt. Dieser Aufgabe widmet sich auch das Forscherteam um Karen Wooley von der Texas A&M University in College Station. Über ihren ungewöhnlich erscheinenden Ansatz berichten sie nun auf der Tagung der American Chemical Society in San Francisco.

„Seit 20 Jahren entwickeln wir Methoden, um natürliche Substanzen – etwa aus Zuckerrohr oder Holz gewonnene Glukose – in abbaubare Polymere für Kunststoffe umzuwandeln, die nicht in der Umwelt verbleiben“, sagt Wooley. Bisher lässt dabei allerdings ein Aspekt im Rahmen der Nachhaltigkeit zu wünschen übrig: „Diese Naturprodukte werden meist aus Ressourcen gewonnen, die auch für die Herstellung von Lebensmitteln, Brennstoff oder Baumaterialien verwendet werden können“, erklärt die Wissenschaftlerin. Ihr Team hielt deshalb Ausschau nach einer bisher ungenutzten Ressource mit Potenzial für die Herstellung von Biokunststoff. So stießen die Forscher auf ein Abfallprodukt einer derzeit boomenden Industrie, die bereits der Nachhaltigkeit dient: der Zucht von Soldatenfliegen-Larven.

Chitin aus ungenutzten Insekten-Kadavern

Die kleinen „Würmchen“ werden zunehmend als Ersatz für das ökologisch eher nachteilige Fischmehl in der Futterindustrie eingesetzt – vor allem in der boomenden Aquakultur von Fischen und in der Geflügelzucht. Als Futter für die Larven eignen sich dabei wiederum verschiedene Abfallstoffe. Um für den Nachwuchs zu sorgen, müssen allerdings auch erhebliche Mengen von adulten Insekten in den Zuchtbetrieben heranreifen. Nach der Paarung und Eiablage sterben diese Fliegen aber schnell und eignen sich nicht für die Futterproduktion. Diese enormen Abfallmengen aus Fliegen-Kadavern standen nun im Visier von Wooley und ihren Kollegen. „Wir wollten ausloten, inwieweit sich aus diesem speziellen Müll etwas Nützliches machen lässt“, sagt Co-Autorin Cassidy Tibbetts.

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Wie das Team berichtet, stellten sich die Fliegen als eine ergiebige Quelle eines bereits altbekannten Bio-Polymers auf Zuckerbasis heraus: Chitin, das den Außenskeletten von Insekten und Krebstieren Stabilität verleiht. Es gelang den Forschern, durch eine Reihe angepasster biochemischer Verfahren, Chitin aus den Insekten-Kadavern zu extrahieren und zu reinigen. Prinzipiell ist das nicht neu – die Substanz wird bisher vor allem aus Garnelen- und Krabbenschalen gewonnen und für verschiedene Zwecke genutzt. Den Forschern zufolge lässt sich aus den Fliegen aber besonders hochwertiges Chitin-Pulver gewinnen, dem die gelbliche Farbe und die klumpige Textur traditioneller Produkte fehlt. Außerdem fällt das mögliche Problem von Meeresfrüchteallergien weg. Insekten-Chitin wurde zwar auch schon zuvor gewonnen – allerdings aus Larven, betonen die Forscher. Sie haben nun hingegen das Wergwerf-Element der erwachsenen Fliegen genutzt.

Anwendungen, die Kreise schließen

Sie haben die Substanz auch bereits in eine Beispiel-Anwendung umgesetzt: Dazu verwandelten die Biochemiker das Fliegenchitin durch eine Abspaltung der Acetylgruppen zunächst in das Polymer Chitosan. Diese Version besitzt chemisch reaktive Aminogruppen, die aktiviert und vernetzt werden können. Auf diese Weise kann Chitosan in zahlreiche nützliche Biokunststoffe verwandelt werden. Zur Demonstration hat das Team aus dem Fliegen-Chitosan ein superabsorbierendes Hydrogel hergestellt, das in nur einer Minute das 47-Fache seines Gewichts an Wasser aufnehmen kann. Dieses Material kann etwa in Böden überschüssige Feuchtigkeit aufnehmen und diese bei Bedarf an Nutzpflanzen abgeben. Da es biologisch abbaubar ist, können seine molekularen Bestandteile dann nach und nach der Bodenfruchtbarkeit zugutekommen, sagen die Wissenschaftler.

Sie wollen nun das Potenzial der Soldatenfliegen als Rohstoffquelle weiter ausloten und zudem an Verfahren zur Aufspaltung des Chitins in nutzbare Bausteine arbeiten. So wollen Wooley und ihre Kollegen schließlich auch Biokunststoffe herstellen, die als Alternativen zu den problematischen Produkten der Petrochemie dienen können. Nach der Entsorgung soll das Soldatenfliegen-Plastik biologisch abbaubar sein, sodass es nicht zum aktuellen Problem der Plastikverschmutzung beiträgt. Wooleys Vision ist dabei, den Kreis auch effektiv zu schließen: „Letztendlich möchten wir, dass die Insekten den Kunststoffabfall auch wieder als Nahrungsquelle nutzen. So könnte er wiederum erneut der Kunststoffherstellung dienen.“

Quelle: American Chemical Society, Präsentation auf der Tagung der American Chemical Society vom 13. bis 17. August 2023 in San Francisco

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