Passive Kühlung statt Klimaanlage und Co: Forscher präsentieren eine Möglichkeit zum Wärmemanagement ohne großen technischen und energetischen Aufwand. Nach dem Vorbild der Oberflächenstrukturen eines hitzeresistenten Käfers haben sie ein flexibles und kostengünstiges Material entwickelt, das Licht intensiv reflektiert und zusätzlich Wärmestrahlung abgibt. Tests verdeutlichen das Potenzial der Folie für die Thermoregulation verschiedener Objekte.
Unerbittlich brennt die Sonne in der Mittagsglut und die Klimaerwärmung verschärft vielerorts das Problem der kritisch hohen Temperaturen. Um Objekte vor Überhitzung zu schützen, kommen bisher vor allem technische Systeme wie Abschattungen, Ventilatoren oder Klimaanlagen zum Einsatz. Dabei ist der Aufwand oft hoch und Kühlsysteme verbrauchen zudem viel Energie und Ressourcen. Außerdem erzeugen Klimaanlagen und Co während des Betriebs zusätzlich Wärme. Um den Kühlungsbedarf einzuschränken, sollte die Erwärmung von Objekten oder Räumen deshalb von vornherein möglichst eingeschränkt werden. Dazu lässt sich der Effekt der passiven Strahlungskühlung nutzen: Um auch bei direkter Sonneneinstrahlung eine niedrigere Temperatur als die der Umgebung zu erreichen, werden Objekte mit Materialien beschichtet, die eine hohe Reflexion sowie Wärmeabstrahlung vermitteln.
Kühlung ohne Aufwand
Bereits seit einiger Zeit versuchen Wissenschaftler den Effekt der passiven Strahlungskühlung durch das Design spezieller Beschichtungen auf die Spitze zu treiben. Dabei wurden bereits photonische Strukturen mit hoher Leistungsfähigkeit entwickelt, bei denen sich Forscher auch von biologischen Systemen inspirieren ließen. Oft basieren sie auf einer raffinierten und komplexen Feinstruktur der Oberflächen. Materialien und Herstellungsverfahren sind dabei allerdings häufig hochkomplex und so eignen sich die Konzepte meist schlecht für einen praktischen Einsatz. Entwickler müssen deshalb bisher Kompromisse zwischen hoher optisch-thermischer Leistung und einer kostengünstigen Herstellung eingehen. Es gibt also noch immer Optimierungsbedarf beim Design von Materialien zur passiven Strahlungskühlung.
Die Forscher um Haiwen Zhang von der Jiao Tong Universität in Shanghai haben sich nun erneut Rat aus der Natur geholt. Sie wurden auf einen Bockkäfer (Neocerambyx gigas) aufmerksam, der in den heißen Regionen Südostasiens lebt. Beobachtungen legten nahe, dass der golden schimmernde Käfer erstaunlich gut mit hohen Temperaturen sowie starker Sonneneinstrahlung zurechtkommt. Deshalb haben die Wissenschaftler die Strukturen der Oberfläche der Flügeldecken von N. Gigas genau untersucht. Elektronenmikroskopische Aufnahmen offenbarten winzige, aufrecht stehende Strukturen, die einen dreieckigen Querschnitt sowie feine Facettenstrukturen aufweisen. Weitere Untersuchungen verdeutlichten, dass diese Einheiten für eine starke Lichtreflexion sorgen sowie für eine intensive Abgabe von Wärmestrahlung an die Umwelt.
Von einem “coolen” Käfer inspiriert
Anschließend versuchten die Wissenschaftler, dieses Konzept so gut wie möglich künstlich nachzubilden, ohne dabei kostspielige Materialien oder aufwendige Verfahren einzusetzen. Ihre Lösung ist eine flexible Folie aus einem Polymer auf Siliziumbasis, das durch ein Mikrostempelverfahren einfach und effizient hergestellt werden kann. Die Funktion der dreiseitigen Einheiten auf den Flügeln des Käfers übernehmen bei dem Material mikroskopische Pyramidenstrukturen. Sie vermitteln eine allmähliche Brechungsindexänderung, erklären die Forscher.
Zusätzlich sind in das Material winzige Keramikkügelchen integriert. Gemeinsam sorgen diese Komponenten durch Streuungseffekte und eine hohe Wärmekapazität für eine starke Reflexion von Licht sowie für eine intensive Wärmeabstrahlung des Materials. So kann die 500 Mikrometer dicke Folie bei direkter Sonneneinstrahlung eine Temperaturverringerung von bis zu 5,1 Grad Celsius vermitteln, berichten die Wissenschaftler.
Die Folie besitzt ihnen zufolge neben ihrer ausgeprägten Flexibilität und Belastbarkeit aufgrund der feinen Oberflächenstruktur auch wasserabweisende Eigenschaften, die für Anwendungen interessant sein könnte. Durch Tests konnten die Forscher bereits einige potenzielle Einsatzmöglichkeiten aufzeigen: Sie dokumentierten den Kühleffekt unter anderem an Mobiltelefonen oder Kühlerhauben von Autos im Sonnenschein. „Der biologisch inspirierte photonische Film könnte in Kombination mit der leichten Herstellung den Weg für die Entwicklung von leistungsfähigen thermischen Regulierungsmaterialien ebnen“, schreiben die Wissenschaftler abschließend.
Quelle: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2001802117