Vor langer Zeit, als ich noch ein Student war, jobbte ich mehrere Jahre lang in den Semesterferien von morgens bis abends, um mir meinen Traum verwirklichen zu können: eine Reise quer durch die USA. In meinem letzten Studienjahr war es schließlich soweit. Ich flog nach New York und wollte ein halbes Jahr später von Los Angeles aus zurückfliegen. In den USA reiste ich – wie damals bei jungen Leuten üblich – per Anhalter, um meine Kasse zu schonen.
Ich war schon mehrere Wochen unterwegs, als ich auf dem Weg von South Dakota nach Utah Wyoming durchquerte. In dem extrem dünn besiedelten Staat leben im Schnitt nur etwa zwei Menschen auf einem Quadratkilometer. Deshalb wunderte es mich nicht, dass ich stundenlang an der Straße warten musste, bis endlich ein uralter rostiger Pick-up hielt. „Fahren Sie nach Smithfield?“, fragte ich den Fahrer, der ebenso alt und rostig wirkte wie sein Auto. „Ja“, war die einsilbige Antwort. Er nahm mich mit. Ich versuchte, mit dem Mann ein Gespräch anzufangen, aber ich bekam nur selten eine Antwort. Schließlich schlief ich ein. Es war schon dunkel, als der Mann mich durch einen Stoß in die Rippen weckte. „Frensway. Endstation“, sagte er und stellte den Motor ab. „Frensway?“, dachte ich erschrocken. Ich war in der falschen Stadt gestrandet. Das County, in dem ich mich befand, wurde von drei schnurgeraden Landstraßen durchschnitten. Jeweils zwei davon kreuzten sich in Smithfield, in Little Creek und in Frensway – drei Orten, von denen keiner aus mehr als einer Tankstelle, einer Bar und ein paar Häusern bestand. Die Straße, die ich eigentlich nehmen wollte, verlief genau von Osten nach Westen durch Smithfield und Little Creek auf Utah zu.
Ich stieg aus und ging in die Bar auf der anderen Straßenseite. Der Wirt und die beiden einzigen Gäste, zwei Männer in Arbeitskleidung, starrten mich an. „Wie weit ist es bis zur Straße, die durch Smithfield und Little Creek läuft?“, fragte ich. „Der nächstgelegene Punkt der Straße ist 10½ Meilen von hier entfernt“, antwortete der Wirt, der Abe hieß. Und Ike, der ältere der beiden Gäste, ergänzte: „Natürlich wie die Krähe fliegt“, was ich mit „Luftlinie“ übersetzte. Dann erklärte mir Jake, der dritte Mann, Little Creek liege Luftlinie 14 Meilen von der Straße entfernt, die durch Frensway und Smithfield führe, und Smithfield liege Luftlinie 30 Meilen von der Straße entfernt, die durch Frensway und Little Creek führe. „Frensway hat also von den drei Städten die beste Verkehrsanbindung“, sagte Abe stolz. „Ich fahre morgen früh nach Little Creek, nachmittags weiter nach Smithfield und abends dann auf dem direkten Weg heim nach Frensway“, sagt Jake. „Wenn du mir sagen kannst, wie lang meine Rundtour ist, darfst du heute Nacht auf meinem Sofa schlafen und morgen früh mit mir nach Little Creek fahren.“ Wie sollte ist dies aus den kryptischen Angaben der drei Männer herausbekommen?
Ich addierte, subtrahierte und multiplizierte die Zahlen, aber kam zu keinem sinnvollen Ergebnis. Schließlich zuckte ich mit den Schultern und gab auf. „Entweder Grips oder Geld“, sagte daraufhin Jake. Ike übersetzte: „Entweder kannst du die Aufgabe lösen, oder du gibst eine Runde Bier aus.“ Erleichtert entschied ich mich für die zweite Möglichkeit.
Wissen Sie, wie viele Meilen Jake auf seiner Rundreise fahren musste?
COGITO − RÄTSELN SIE MIT!
Teilnehmen kann jeder, außer den Mitarbeitern des Verlags und deren Angehörigen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 30. April 2023:
Die Lösungen und die Namen der Gewinner werden demnächst hier und im Juli-Heft 2023 veröffentlicht.
… UND DAS GIBT ES ZU GEWINNEN
Unter den Einsendern der richtigen Lösung verlosen wir fünf Exemplare des Buchs „Der Flug der Stare“ von Giorgio Parisi. Darin beschreibt der Quantenphysik-Professor von der Universität Rom „das Wunder komplexer Systeme“. Er erhielt 2021 den Physik-Nobelpreis „für die Entdeckung des Zusammenspiels von Unordnung und Fluktuationen in physikalischen Systemen von der atomaren bis hin zur planetarischen Ebene“. Bei seinen Forschungen geht es um das allgegenwärtige Phänomen der Selbstorganisation, wie es sich beispielsweise zeigt beim Naturschauspiel des Starenflugs, der Bildung von Wolken und Tigerstreifen oder der Physik der Spin-Gläser. Darüber hinaus gibt Parisi Einblicke in sein Leben als Wissenschaftler, er schildert, wie neue Ideen entstehen und welche Rolle die Intuition dabei spielt. Er reflektiert klug über den Austausch von Metaphern zwischen Physik und Biologie sowie über den Sinn der Wissenschaft und ihre Bedeutung für die Gesellschaft. Weitere Informationen: www.fischerverlage.de