Er wollte nicht immer der Grantler sein. Und so war der Plan des österreichischen Regisseurs Werner Boote nach seinem ebenso erfolgreichen wie düsteren Dokumentarfilm „Plastic Planet“, nun einmal die sonnigen Seiten der Weltwirtschaft zu zeigen: jene Konzerne, die nachhaltig und fair produzieren. Löbliche Ansätze zu loben. Zuckerbrot zu verteilen. Doch der gute Vorsatz ließ ihn schon bald zu einem noch größeren Grantler werden.
Verständlich, wenn man sieht, was Boote, der im Film die Rolle des gutgläubigen Konsumenten an der Seite der Greenwashing-Expertin Kathrin Hartmann gibt, hinter den grünen Kulissen zu hören und sehen bekommt in Europa, Asien, Südamerika. Eine der eindrücklichsten Szenen spielt auf Indonesien, wo sich ein Zulieferer von Unilever (Knorr, Langnese, etc.) auf einer Palmöl-Konferenz als nachhaltiger Produzent präsentiert. Ob das wirklich wahr sei, fragt Boote einen Manager der Firma mit großen Augen. Der, von so viel Naivität irritiert, entgegnet: „Um das herauszufinden, müssen Sie sich vor Ort umschauen.“
Genau das tun Boote und Hartmann. Und dann stehen sie da, vor Ort, inmitten eines niedergebrannten Regenwaldes, auf dem recht bald Plantagenpalmen sprießen sollen, für eine Tochterfirma des Unilever-Zulieferers. Die bittere Erkenntnis: Nicht Nachhaltigkeit steht im Zentrum vieler Nachhaltigkeitsstrategien. Sondern das Verwischen der Verantwortungsspuren auf dem Weg zum Verkaufsschaufenster.
Auch bei anderen Großmeistern des Greenwashings schauen Boote und Hartmann sich vor Ort um. Bei Europas größtem CO2-Verursacher RWE etwa. Oder bei BP, einem Konzern, der sich seit einigen Jahren grün geriert („Beyond Petroleum“), aber mit der Bohrplattform Deepwater Horizon 2010 eine beispiellose Ölkatastrophe anrichtete. Oberste Priorität hatte für BP anschießend nicht die Beseitigung der Umweltschäden, auch nicht die Gesundheit der Katastrophenhelfer. Sondern das Versenken des Ölteppichs mit der giftigen Chemikalie Corexit.
In ihrem Buch „Die Grüne Lüge“, das den Film flankiert, greift Hartmann einige der Filmszenen auf, geht aber weit über darüber hinaus, indem sie diese einordnet, forterzählt, Hintergründe liefert, Recherchen vertieft, Argumente ausbuchstabiert. Sie blickt auf sogenannte Runde Tische für Nachhaltigkeit, die nur dafür sorgen, dass bei Palmöl, Rindfleisch oder Soja „alles weitgehend bleiben kann, wie es ist“. Und fragt sich, warum die Organisation WWF so oft als grünes Feigenblatt mit am Tisch sitzt. Sie fragt auch, was wir tun könnten, um der Welt wirklich etwas Gutes zu tun. Das wäre so einiges: „Greenwashing funktioniert auch deshalb so gut, weil Angehörige westlicher Konsumgesellschaften gerne hören, dass alles so weitergehen kann wie bisher, ja, dass ihr überbordender Lebensstil selbst es sein könnte, der dafür sorgt, die Welt besser zu machen. ‚Wouldn‘t change a thing.‘ Sagt doch auch George Clooney im Nespresso-Spot.“
Werner Boote
The Green Lie
Österreich/Deutschland/Brasilien/Indonesien/USA 2017, 97 Minuten.
Kinostart: 22. März
Kathrin Hartmann
Die grüne Lüge
Weltrettung als profitables Geschäftsmodell
Blessing. 240 Seiten, 15 €