Dark Eden ist ein Film der Grautöne, ganz wörtlich genommen. Ein hellgrauer Himmel, davor die dunkelgrauen Wolken der vielen Schornsteine. Schmutzige Schneereste und das blasse Licht des kanadischen Winters. Aber es ist auch ein Film der Grautöne im übertragenen Sinne. Dark Eden erzählt vom Fracking in der kanadischen Stadt Fort McMurray, die noch vor wenigen Jahrzehnten ein kleines Dorf war, in der jedoch heute alle großen Ölfirmen vertreten sind, um Erdöl aus den sandigen Böden zu gewinnen. Es ist ein Thema, das zum Einteilen in Gut und Böse, Schwarz und Weiß einlädt. Aber das passiert hier nicht. Stattdessen begleitet die Autorin des Films einige Menschen in Fort McMurray, geht sparsam mit eigenen Kommentaren um und lässt stattdessen ihre Protagonisten erzählen.
Da ist Markus, als Mechaniker ausgewandert nach Kanada, dem Dialekt nach zu schließen von irgendwo aus dem tiefen Nordwesten Deutschlands. Gemeinsam mit seiner Frau Olga hat er sich in Kanada ein neues Leben aufgebaut. Während er in Deutschland „für’n Appel un’ Ei“ arbeitete, hat er sich in Fort McMurray schon mehrere Häuser leisten können. Er profitiert von der Ölindustrie vor Ort, glaubt auch nicht, dass eine komplette Energiewende noch zu seinen Lebzeiten passieren wird. Aber er sagt auch, dass der merkwürdige Geruch in der Luft sicher nicht so gesund sei. Dass die paar Tausend Angestellten in Fort McMurray seinen Arbeitgeber ja im Grunde nicht interessieren. „Man ist nur eine Nummer. Ich bin Mechaniker 56“, sagt Markus.
Dann ist da Barnabas aus dem Südsudan, der in Kanada als Reinigungskraft arbeitet, um seine Familie in Uganda zu unterstützen.
Und da ist Robbie, treibende Kraft hinter der Kampagne „I love oil sands“. Immer gut gelaunt, sachlich, aber mit einem Lächeln auf den Lippen kämpft er gegen die vielen „negativen Falschinformationen, die über die Ölsandindustrie verbreitet werden“. „Wir sind das umweltfreundlichte Land der Welt“, ist er überzeugt. Es ist schwer, seinem Charme zu widerstehen, bis er irgendwann in einem Interview vor laufender Kamera der Autorin gegenüber unfreundlich wird. Auch hier ist nichts schwarz und weiß.
Die Autorin selbst ist es schließlich, die aus der vielleicht etwas ungewöhnlichen Dokumentation einen wahrhaft außergewöhnlichen Film macht. Mit nur wenigen Sätzen aus dem Off schafft sie es, ihre eigene, persönliche Geschichte einzuflechten. Wie sie nach Fort McMurray kam und sich verliebte. Wie sie einsehen musste, dass auch sie und ihr Freund Michael, der am städtischen Theater arbeitete, von der Ölindustrie profitierten. Wie auch sie all die hässlichen Nebenwirkungen des Frackings ignorierte. Bis Michael krank wurde und es nicht mehr ging.
Dark Eden ist ein langsamer Film, ein stiller Film. Trotzdem fesselt er von der ersten Minute an durch die Menschen, die er zeigt, um dann völlig unerwartet Emotionen hervorzurufen. Keine schönen, aber starke. Dark Eden lohnt sich.
Jasmin Herold, Michael Beamish
Dark Eden
Der Albtraum vom Erdöl.
Made in Germany Filmproduktion. 80 Minuten. Kinostart: 11. April 2019