Da sitzt er nun so in seiner Gartenoase nahe Göttingen, der weitgereiste und medial weit herumgereichte Hirnforscher Gerald Hüther. Sitzt da, nach Beendigung seiner Universitätskarriere, auf dem Land. Und fragt sich, warum es da so still ist. Kein Summen. Keine Bienen. Auch kaum mehr Hummeln, kaum andere Insekten. Er merkt, um ihn herum ist kein Naturidyll mehr, sondern ein „grün verkleidetes Industriegebiet“. Dass es so weit kommen konnte, trotz all des wissenschaftlichen Wissens, trotz aller Warnungen von Umweltschützern, hat mit einem grundlegenden Problem zu tun, glaubt Hüther: Dass vielen ein tieferes Verständnis verlorengegangen ist, was uns als Menschen ausmacht. Ein Verbundenheits- und Verantwortungsgefühl. Ein Gefühl der Achtung. Vor der Natur. Den anderen. Sich selbst. Etwas, das Schiller einst „Ausdruck einer erhabenen Gesinnung“ nannte und Hüther nun zum Titel seines neuesten Buches gemacht hat: Würde. Dieses Verlorene, das jedes Kleinkind nach der Geburt noch instinktiv spüre, wiederzuentdecken und wiederzuerlangen, hält er für unsere wichtigste Aufgabe: „Statt ständig die Welt weiter nach unseren Vorstellungen verändern zu wollen, bleibt uns heute nichts anderes übrig, als unsere bisherigen Vorstellungen von uns selbst zu verändern.“ Damit wir aus einer unheilvollen Sackgasse finden. Als Individuen. Und als Gesellschaft.
Gerald Hüther
Würde
Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft
Knaus. 188 Seiten, 20 €