Weltweit wandern tausende von Tierarten auf und zwischen den Kontinenten unserer Erde. Seit kurzem ist es möglich, sie dabei aus dem All zu verfolgen. Das liefert überraschend neue Erkenntnisse – von denen auch der Mensch profitiert.
Es ist eines der gewaltigsten Projekte zur Verhaltensforschung, das auf der Erde je gestartet wurde. Hunderttausende von Tieren werden via Satellit auf ihren Wanderungen beobachtet. Zugvögel ebenso wie Bären und Bienen, Schildkröten, Fledermäuse und wandernde Viehherden. Es heißt ICARUS – und anders als sein mythologischer Ahne, der der Sonne zu nahe kam und ins Meer stürzte, fliegt es dauerhaft. Der Name steht für die „International Cooperation for Animal Research Using Space“, geleitet von Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz.
Bis ICARUS abhob, vergingen mehr als 20 Jahre. Jahre des Tüftelns, Entwickelns und Bastelns. Jahre voller euphorischer Momente und niederschmetternder Rückschläge. Wie Wikelski und sein Team einer Vision zum Durchbruch verhalfen, erzählt er in diesem Buch. Wie es gelang, die Sender immer kleiner zu bauen, damit selbst ein Kolibri sie problemlos tragen kann. Wie die Zusammenarbeit mit der Internationalen Raumstation ISS zustande kam und warum man nun zur Überwachung der Tierwanderungen auf neuartige Kleinstsatelliten setzt. Und wie der Überfall Russlands auf die Ukraine fast dazu geführt hätte, dass ICARUS seine Flügel verlor: Denn von heute auf morgen war der Austausch der Wissenschaftler mit ihren Kollegen der russischen Weltraumbehörde blockiert.
Der lange Weg von der Idee zur Verwirklichung liest sich wie ein technischer Krimi. Doch Wikelski streut auch amüsante wie informative Kapitel aus seinen Forschungen auf der Erde ein. Mal spielt ein Storch die Hauptrolle, mal ein Baby-Seelöwe, mal Berta, die Erdbebenkuh. Dabei wird klar, wieso die Vernetzung globaler Beobachtungsdaten – das „Internet der Tiere“ – so wichtig ist für den Artenschutz und für das Verständnis der Folgen des Klimawandels.
P.S: Bei der Titelwahl hätte man sich vom Verlag durchaus etwas mehr Inspiration gewünscht. Jürgen Nakott
Martin Wikelski
The Internet of Animals
Was wir von der Schwarmintelligenz des Lebens lernen können
Malik, 320 S., € 25,–
ISBN 978-3-89029-561-9