Henry Markram ist ein weltweit renommierter Hirnforscher, ausgezeichnet mit vielen Preisen. Sehr persönlich und berührend erzählt Lorenz Wagner, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, die Geschichte dieses Wissenschaftlers, der im Laufe der Jahre erkennt: Sein Sohn Kai ist Autist. Durch die Erlebnisse mit Kai stellt er die herkömmliche Lehrmeinung immer mehr infrage. Am Ende ist er überzeugt: Autisten haben nicht zu wenig Empathie. Im Gegenteil: Sie fühlen zu viel, die Welt ist zu „laut“ für sie. Sie ziehen sich zurück, um sich vor der Reizüberflutung zu schützen. Inzwischen hat Markrams neue Autismus-Theorie viele Anhänger gefunden.
Wagner hat die Familie Markram mehrere Monate begleitet. Er dokumentiert Gespräche zwischen Henry, seiner Frau und seinen Kindern und berichtet vom Alltag der Familie. Kai mag es, Bowling zu spielen und mit einem Boot auf den See hinauszufahren – und der Leser kann sich gut in ihn einfühlen. Eingeflochten in diese lebendigen Geschichten erklärt Wagner, was in uns geschieht, wenn wir fühlen, und vermittelt faszinierende Einblicke in das menschliche Gehirn.
Doch in seinem Buch geht es nicht nur um Autismus und Hirnforschung, Wagner streift auch viele relevante gesellschaftliche Themen: etwa das Leben in einer Patchwork-Familie und die Problematik der Inklusion. Ein fesselndes Buch, das Mut macht.
Lorenz Wagner
Der Junge, der zu viel fühlte
Europa-Verlag, 216 S., € 18,90, ISBN 978–3–958–90229–9
E-Book für € 12,99, ISBN 978–3–958–90253–4