WAS WIR WIRKLICH wissen müssen, um die Welt zu verstehen, passt natürlich nicht auf die 240 Seiten des schmalen Bändchens von Albert Jacquard. Den Titel hat sich der deutsche Verlag im Zuge der hierzulande grassierenden Bildungskanon-Manie ausgedacht. Der französische Bestseller- Autor räsoniert stattdessen unbeschwert über einige schwergewichtige Themen, die ihn besonders interessieren: den Kosmos, die Zeit, die Evolution. Der Verlag hätte das Werk auch Das Leben, das Universum und der ganze Rest nennen können, wenn er unter dem Titel nicht schon einen Science- Fiction-Roman im Programm hätte. Obwohl Jacquard sich etwa mit Relativitätstheorie und Genetik gut abgegraste Themen ausgesucht hat, überrascht er doch immer wieder mit Neuigkeiten. So rechnet er vor, dass es keinen Sinn hat, Menschen mit Anlagen für Erbkrankheiten den Verzicht auf Nachwuchs nahe zu legen: Allein 2,5 Millionen Franzosen tragen ein Gen für Mukoviszidose. Und da es noch viele andere Erbkrankheiten gibt, dürfte fast niemand mehr Kinder bekommen. Vor allem aber vermittelt Jacquard, wie Wissenschaftler vorgehen, wobei er auch vor mathematischen Ableitungen und Statistik-Einführungen nicht zurückschreckt. Selbst wer großzügig über die Formeln hinwegliest, erhält doch einen besseren Eindruck vom wissenschaftlichen Denken, als wenn Jacquard titelgerecht versucht hätte, in Häppchenform sämtliche wesentlichen Erkenntnisse zu präsentieren.
Jochen Paulus