Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk der Natur, das komplexeste Objekt des bekannten Universums, der Sitz des Bewusstseins, des Verstands, der Gefühle, des Ichs – das haben wir oft gelesen. Aber mal ehrlich: Nehmen wir es ernst? Identifizieren wir uns mit unserem Gehirn? Eher nicht. Es fällt schwer, die Erkenntnisse der Hirnforschung, so beeindruckend sie sein mögen, mit dem eigenen Erleben in Verbindung zu bringen. Die graue Masse im Dunkel unseres Schädelinneren ist uns fremd.
Das Verdienst des amerikanischen Neurowissenschaftlers David Eagleman ist es, diese Entfremdung zu überwinden. Sehr lebendig erzählt er davon, wie das Gehirn die Welt gestaltet, in der wir leben – wie es gewissermaßen den Menschen hervorbringt, der es mit sich herumträgt: Wie treffen wir Entscheidungen? Wie entsteht Empathie zwischen einem Gehirn und einem anderen? Nehmen wir die Welt so wahr, wie sie “wirklich” ist?
Eagleman ist keineswegs der Erste, der über diese Fragen schreibt. Aber es gelingt ihm auf außergewöhnlich anschauliche Weise. Wenn er etwa die Entstehung von Vorurteilen schildert, dann erklärt er die hirnphysiologischen Vorgänge dahinter, er schildert die einschlägigen psychologischen Experimente, und er lotet die sozialen und politischen Implikationen aus, sodass die Zusammenhänge deutlich werden. Wer Eaglemans Buch gelesen hat, weiß, was in seinem eigenen Kopf so alles geschieht.
THE BRAIN
Pantheon, München 2017, 224 S.
€ 22,99, ISBN 978–3–570–55288–9
E-Book für € 14,95, ISBN 978–3–942–74890–2