In der Rückschau liegt die Gefahr der Besserwisserei. Und die verhindert, dass wir aus der Vergangenheit lernen. Das unterstreicht der Historiker Joachim Radkau, bevor er sich die Prognosen aus der deutschen Nachkriegszeit vorknöpft. Denn manche davon wirken aus heutiger Sicht bizarr – dazu gehört die Euphorie um die zivile Kernenergie. Obwohl es in den 50er-Jahren noch keine Erfahrung mit der nuklearen Stromproduktion gab und man offen über die Risiken und die Entsorgung des Atommülls diskutierte, wurde ein Atomzeitalter heraufbeschworen. Der Philosoph Ernst Bloch schwärmte sogar davon, mit der billigen Energie das Eis der Arktis zu schmelzen, um das Land besiedeln zu können.
Wie konnte man so blauäugig sein? Ein wichtiger Faktor aus Radkaus Sicht: Physiker warben für das “friedliche Atom”, um ihr Gewissen zu beruhigen, und weil sie sich nicht um technische oder ökonomische Fragen scherten. Weil Deutschland nicht an der Bombe arbeitete, war die zivile Nutzung nicht so stark an die militärische gekoppelt wie in anderen Ländern. Laut Radkaus Analyse wurde die deutsche Anti-AKW-Bewegung möglich, weil der Staat nicht so hart zurückschlug wie etwa in Frankreich. Und was lernt man daraus für die heutige Energiepolitik? Vorsicht und ‧Demut sind angebracht. Wer seine Pläne in der Gegenwart verankert, berechtigte Einwände nicht beiseite wischt und offen ist für unerwartete Entwicklungen, fährt langfristig besser.