Wissensbuch des Jahres 2019 in der Kategorie Überblick
Roland Schulz geht bis ins letzte Detail: Er beschreibt, wie schon Tage vor dem Tod das Herz damit aufhört, das Blut in die äußersten Winkel des Körpers zu pumpen. Die Füße werden kalt, der Körper „leitet den Abschied vom Leben ein“. Später wird das Blut im Leichnam „durch das feine Netz seiner Kapillaren“ sickern, sich an den „tiefsten Stellen“ sammeln, und dort, wo der Körper aufliegt, Totenflecken bilden. Währenddessen stockt in den Muskeln der Energienachschub: Die Totenstarre setzt ein.
Minutiös und meisterhaft beschreibt Schulz, was mit unseren Körpern in den Tagen des Todes passiert – für Leser, die wirklich haargenau wissen wollen, woran viele lieber nicht mal denken mögen. Der Journalist geht weit über die Schilderung des Verfalls hinaus. Zur Recherche besuchte er Hospize, Trauernde, Bestatter. Er schildert, was ein Amtsarzt bei der Totenschau tut und gibt Einblick in die grausam ausufernde Bürokratie, die in dem Moment einsetzt, wenn ein Mensch geht – als habe sich „eine gewaltige, gut geölte Maschinerie in Gang gesetzt, die sich daran macht, diesen Sterbefall da abzuarbeiten, unbeeindruckt, unerbittlich“.
Am Ende lässt er auch das Letzte sterben, was nach Tod und Krematorium übrigbleibt: die Erinnerung. Denn erst mit dem Ende des letzten Nachfahren, der einen noch gekannt hat, ist es ganz vorbei: „Und mit seinem Tod ist deiner vollkommen, weil du vollständig in Vergessenheit fällst, wie alle anderen vor dir.“ Urs Willmann
Roland Schulz
SO STERBEN WIR
Piper
240 S., € 20,–
ISBN 978–3–492–05568–0