Der Bauplan, wie wir kooperativ und friedlich miteinander leben können, steckt in unseren Genen. Dazu liefert der Soziologe und Mediziner Nicholas A. Christakis überzeugende Argumente. Anschauliche Beispiele aus der Geschichte und aus der aktuellen Forschung bezeugen: Erfolgreich und überlebensfähig sind Gruppen mit flachen Hierarchien und guter Zusammenarbeit, in denen die Mitglieder sich solidarisch verhalten. Christakis hat Gruppen untersucht, die durch Schiffbrüche und andere Katastrophen isoliert wurden − zum Beispiel die Mannschaft des Polarforschers Ernest Shackleton −, außerdem die utopische christliche Gemeinschaft der Shaker in den USA sowie die erzwungene Gemeinschaft einer Forschungsstation in der Antarktis. Und er hat Netzwerk-Studien vom „Human Nature Lab“ der Yale University, das er leitet, hinzugezogen. Dort wird die Struktur und Funktion sozialer Netzwerke analysiert.
Christakis postuliert: Im Laufe unserer Evolution hat sich eine „soziale Ausstattung“ durchgesetzt, die alle Menschen miteinander verbindet. Dazu gehören die Liebe zum Partner und den eigenen Kindern, die Fähigkeit, Freundschaften zu schließen, Kooperationsfähigkeit und soziales Lernen. Dadurch können wir nicht nur mit Angehörigen der eigenen Familie zusammenleben, sondern nehmen auch Außenstehende in unsere Gemeinschaften und Netzwerke auf. Die Folge ist ein friedliches Miteinander.
Das klingt seltsam angesichts der Menschheitsgeschichte voller Kriege und Gewalt. Auch die Neigung, Fremde aus der eigenen Gruppe auszugrenzen, scheint dem zu widersprechen. Doch der Professor für Sozial- und Naturwissenschaften ist überzeugt: Ähnlich wie zu Walen, Elefanten oder Schimpansen passt zu uns Menschen am besten eine soziale Umwelt, die auf Freundschaft und Kooperation basiert. Stärker als unsere Unterschiede, die zu Gewalt und Ausgrenzung führen, sind unsere Gemeinsamkeiten. Und auf die sollte die Menschheit sich besinnen. Petra Wiemann
Nicholas Alexander Christakis
BLUEPRINT
S. Fischer, 600 S., € 26,–
ISBN 978–3–10–011351–1