Wäre es nicht besser, wenn man sich alles merken könnte? Woran liegt es, dass die meisten Ereignisse rasch in einem diffusen Nebel verschwimmen? Der Neurologe und Arzt Scott A. Small untersucht seit über 35 Jahren das Gedächtnis. Nun hat er ein Buch geschrieben, in dem er Forschungsergebnisse und eigene Erfahrungen vorstellt.
Karl war zum Beispiel immer stolz auf sein ausgezeichnetes Gedächtnis. Nun lässt es nach, und er macht sich Sorgen. Dr. X dagegen schätzt sein Gedächtnis als eher schlecht ein, schon immer. Dennoch wird er als Arzt für seine scharfsichtigen Diagnosen sehr geschätzt. Wie ist das möglich, fragt er Small.
An diesen und anderen Beispielen erläutert der Autor, was ein gutes Gedächtnis leistet – und was nicht. Er erklärt, wie sich Erinnerungen im Gehirn einprägen und im Schlaf wieder verloren gehen. Das Vergessen räumt unser Gehirn auf und befreit uns von Inhalten, die unseren Geist hemmen und die Fantasie blockieren, schreibt er. Ohne Vergessen können wir nicht klar denken: Um den Wald zu sehen, müssen wir die einzelnen Bäume vergessen.
Gerade weil er um sein schwaches Gedächtnis weiß, ist Dr. X. stets offen für frische Informationen, während ein Kollege, der auf sein hervorragendes Gedächtnis vertraut, neue, entscheidende Details möglicherweise übersieht. Das Vergessen hilft, sich an Veränderungen anzupassen. Ein echtes Supergedächtnis ist eine Last, betont Small. Antonia Rötger
Scott A. Small
VERGESSEN – MACHT PLATZ FÜR WICHTIGES
Hogrefe, 184 S., € 26,95
ISBN 978–3–456–86200–2