Mit diesem Szenario leitet Nathan Wolfe eine spannende Reise ein. Der mehrfach ausgezeichnete US-Biologe, Jahrgang 1970, nimmt den Leser im ersten Teil seines Buches mit in die Vergangenheit, um zu ergründen, warum wir heute so anfällig für Infektionen sind. Seine These: Irgendwann nach der Trennung der Abstammungslinien von Mensch und Schimpanse geriet das System aus dem Gleichgewicht. Denn der Mensch reduzierte die Fülle an Mikroorganismen, mit denen er in Berührung kam aber damit auch sein körpereigenes Waffenarsenal. In
den Menschenaffen rüsteten die Viren und andere Erreger dagegen weiter auf. So wurden Schimpansen zu einem Reservoir an Mikroben, das bis heute immer wieder für den Ausbruch neuer Krankheiten sorgt.
Warum die Gefahr wächst, dass eine solche Krankheit zu einer gefürchteten Pandemie wird, führt Wolfe im zweiten Teil aus. Der dritte Teil schließlich beschreibt seine Vision eines Paradigmenwechsels: Statt Reaktion auf Pandemien fordert er Prävention. Dazu sollten beispielsweise die urtümlich lebenden Jäger-und-Sammler-Völker, die häufig mit wilden Tieren in Kontakt kommen, regelmäßig überwacht werden. Gleichzeitig könnten die Daten, die Mobilfunkanbieter und Onlinedienste wie Google sammeln, schon früh ungewöhnliche Häufungen von Krankheitsfällen aufzeigen. So ließe sich ein globales Immunsystem erzeugen, das irgendwann das Zeitalter der Pandemien beenden könnte.
Das Besondere an diesem Buch ist die Authentizität. Wolfe liegt es sehr am Herzen, sein Wissen zu vermitteln. Sein leidenschaftliches Plädoyer für ein Umdenken beim Umgang mit Pandemien wirkt überzeugend, auch weil er selbst sein Leben in den Dienst der Pandemie-Prävention gestellt hat: Er gab einen sicheren, gut bezahlten Professorenposten auf, um die unabhängige Organisation Global Viral Forecasting Initiative zu gründen, die weltweit Ausschau nach gefährlichen Viren hält.
Ilka Lehnen-Beyel