Zur Wirklichkeit wird gerade, was vor 30 Jahren die Cyberpunk-Romane vorhersagten: Dass sich Menschen mit Hirnimplantaten und Biochips aufrüsten (“Neuromancer”), um schneller an profitträchtige Informationen zu kommen und ihre Sinnesleistungen zu optimieren, oder sich dauerhaft in virtuellen Welten verlieren (“Mona Lisa Overdrive”), wie bei manchen interaktiven Spielen. Doch was macht die Fusion von Mensch und Maschine mit dem Homo sapiens? Am Ende des Versuchs, sich zum gottgleichen Wesen zu optimieren, zum Homo deus, droht die Gefahr, dass der Mensch die Herrschaft verliert, befürchtet Yuval Noah Harari.
Der Historiker an der Universität Jerusalem ist überzeugt: Der Menschheit ging es noch nie so gut wie heute – trotz der Schreckensmeldungen aus Syrien und dem Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Malaria, an denen Zehntausende sterben. Noch vor wenigen Generationen haben Ernteausfälle, die Pest, der 30-jährige Krieg und die Spanische Grippe unzähligen Menschen das Leben gekostet. Weil der größte Teil der Menschheit so etwas nicht mehr fürchten muss, wendet er sich nun verwegenen Projekten zu: Unsterblichkeit, ewigem Glück und göttlicher Allmacht.
Dazu überlässt sich der Mensch immer mehr der Technik. Was mit dem Herzschrittmacher begann, setzt sich mit dem Sprachassistenten und dem “Smart Home” fort. An der Börse, in der Überwachungstechnik und bei der Planung von Operationen übertragen wir bereits viele Entscheidungen “intelligenten” Computerprogrammen. Autos, Züge und Flugzeuge transportieren uns bald autonom. Und nach einer Umfrage des Massachusetts Institute of Technology können sich immer mehr Arbeitnehmer einen Roboter als Chef vorstellen.
Doch wie viel Freiheit wollen wir den künstlichen Intelligenzen lassen? Die Antworten Hararis werden so manchem nicht gefallen. Etwa, wenn er den Begriff des freien Willens diskutiert. Können wir wirklich frei entscheiden, wohin sich unsere Gesellschaft entwickeln soll? Und was geschieht, wenn die künstlichen Intelligenzen uns irgendwann für überflüssig halten? Wer will, dass diese Dystopie nur ein Szenario bleibt, muss sich den unbequemen Fragen stellen.