Der renommierte Psychiater und Gesellschaftskritiker Manfred Spitzer sieht Einsamkeit als das große Thema unserer Gesellschaft: Die Haushalte werden immer kleiner, die Zahl der Trennungen steigt, die Jugendlichen sind immer selbstbezogener, und die Medien – auch die „sozialen“ Internet-Netzwerke – fördern die Isolation. Es ist nicht neu, dass Spitzer das Internet für solche Missstände verantwortlich macht. Doch einen echten Beleg dafür, dass sich immer mehr Menschen einsam fühlen, kann er auch in seinem neuen Buch nicht liefern.
Spannend sind zwei neue Thesen. Erstens: Einsamkeit und Schmerzen werden im selben Gehirnareal verarbeitet – „Einsamkeit tut weh“. Zweitens: Die Wahrscheinlichkeit, einsam zu sein, steigt, je mehr Menschen im sozialen Umfeld einsam sind. Zum Beleg fasst der Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm entsprechende Forschungsergebnisse aus der wissenschaftlichen Literatur zusammen. Und er nennt zahlreiche Studien, die auf einen Zusammenhang von Einsamkeit, Stress und Krankheiten hinweisen. Dabei schreibt er zwar zu Recht, wie schwer es ist, aufgrund solcher Studien zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Trotzdem formuliert er am Ende dann doch zugespitzt: „Einsamkeit macht krank, Einsamkeit ist tödlich.“
Wer von einem Psychiater Hilfe nach der Diagnose Einsamkeit erwartet, wird das Buch am Ende enttäuscht zur Seite legen: Ratschläge wie die, im Chor zu singen oder raus in die Natur zu gehen, sind einfach banal.
Manfred Spitzer
Einsamkeit – Die unerkannte Krankheit
Droemer, 320 S., € 19,90, ISBN 978–3–426–27676–1
E-Book für € 17,99, ISBN 978–3–426–43788–9
Hörbuch für € 19,95, ISBN 978–3–954–71605–0