Was wir wissen. Was wir tun können. Wie wir uns darauf einstellen
Gian Domenico Borasio trifft den richtigen Ton, wenn er über den Tod spricht. Der Italiener, der in München studiert hat und seit 2011 eine Professur für Palliativmedizin in der französischen Schweiz besetzt, ist Naturwissenschaftler und hat doch keine Hemmungen, über die wichtige Rolle der Spiritualität am Ende des Lebens nachzudenken. Auch in der heiklen aktuellen Debatte behält er seine nüchterne, sensible Sprache und erklärt den Unterschied zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe, zwischen indirekter Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung.
Doch Borasio erklärt nicht nur, er fordert auch. Wenn ein unheilbar Kranker Todeswünsche äußert, gerät ein deutscher Arzt in eine absurde Situation: Er darf zwar Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid leisten. Doch in dem Moment, in dem der Patient das Bewusstsein verliert, muss der Arzt umgehend lebensrettende Maßnahmen einleiten. Tut er dies nicht, droht ihm eine Anklage wegen Totschlags. Borasio fordert eine rasche Klärung, damit er und andere Ärzte sich der Suizidwünsche von Patienten annehmen können.
Urs Willmann