Heiße Luft und Superpocken
OFFIZIELL GIBT ES SIE nur noch tiefgefroren und streng bewacht: Variola- Viren, die Erreger der gefürchteten Pocken. Dank einer weltweiten Impfkampagne der WHO ist die Krankheit seit mehr als 20 Jahren ausgerottet. Doch glaubt man dem amerikanischen Autor Richard Preston, wiegen wir uns in trügerischer Sicherheit. Er warnt vor der Wiederkehr der Seuche, verursacht durch terroristische Anschläge mit gentechnisch optimierten Superpocken. Der so genannte Tatsachenthriller entpuppt sich allerdings als reißerische Mischung aus Altbekanntem und vagen Vermutungen. Preston spekuliert, dass in einigen
Ländern Pocken möglicherweise genmanipuliert (werden) oder dass es höchstwahrscheinlich eine ganze Menge nicht gesicherter Pockenviren (gibt). Das auf dem Buchumschlag genannte Supervirus aus Pocken und Milzbrand, an dem angeblich mehrere Nationen experimentieren, kommt im Buch gar nicht vor und ist wissenschaftlich schlichtweg Unsinn. Stattdessen erzählt Preston ausführlich von den Anthrax-Anschlägen im Herbst 2001 und mutmaßt, die Anthrax- Sporen könnten mit Pockenviren vermischt worden sein, wofür es jedoch keinerlei Anzeichen gab. Auslöser für Prestons Pockenpanik ist ein Experiment australischer Wissenschaftler, die gentechnisch ein Mäusepocken-Virus geschaffen haben, das das Immunsystem infizierter Mäuse komplett ausschaltet. Nach diesem Vorbild, so Preston, könnten Terroristen schon bald Humanpocken in Killerviren verwandeln, gegen die es keinen Impfschutz gäbe. Indizien dafür hat er allerdings nicht.
Dr. Ute Schönfelder
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