Wer Lügen mit Zahlen aus der Hand legt, lässt sich nicht mehr so leicht von scheinbaren Zusammenhängen oder geschönten Grafiken täuschen. Warum Statistiken oft nur scheinbar objektiv und exakt sind, zeigt der Statistikprofessor Bosbach anhand von Wahl- und Klimaprognosen, Medikamentenstudien und Wettervorhersagen. Auch bei Daten zum angeblichen Schmarotzertum von Hartz-IV-Empfängern oder zur vermeintlichen Kostenexplosion im Gesundheitswesen weist er den Leser auf statistische Denkfehler hin. Damit der Leser nach der Fülle an Zahlentricks nicht resigniert, findet sich im Buch sogar eine Checkliste, mit der er Statistiken schrittweise überprüfen kann, sowie Übungsaufgaben, um die erworbenen Kenntnisse zu trainieren. Als Co-Autor des Buchs streut der Historiker und Texter Jens Jürgen Korff Zwischenfragen und Anekdoten ein und mahnt Bosbach augenzwinkernd zu Kürze und Würze.
Das Buch schärft den Blick für manipulierte Achsen, vorsortierte Stichproben und Prozentangaben, die die Wahrheit verschleiern. Doch auf das eine oder andere Kapitel hätten Bosbach und Korff durchaus verzichten können. So mutmaßen sie im Kapitel Die Dummen und die Bösen, ob die Urheber einzelner Statistiken ihre Daten aus Gier oder aus Unwissen manipuliert haben. Neue statistische Erkenntnisse gewinnt der Leser dabei kaum. Auch das eingeschobene Theaterstück über den Kult der Zahl, ein buntes Stimmengewirr historischer, erdachter und lebender Personen, und die ständige Anrede des Lesers wären entbehrlich gewesen.
Wer es lieber kompakt mag, sollte zur überarbeiteten Neuausgabe eines Klassikers greifen: Das vor 20 Jahren erstmals erschienene Buch So lügt man mit Statistik von Walter Krämer. Leicht verständlich und gut lesbar nimmt Krämer statistische Irrtümer auseinander, von im Central Park schläft man am sichersten bis zu je mehr Störche, desto mehr Kinder. Bosbach kennt offensichtlich das Buch des Dortmunder Statistikprofessors: Er hat von ihm zahlreiche Beispiele übernommen, und in beiden Büchern ähneln sich die Paletten der Schönfärberei. Zwar erläutert Bosbach seinen Lesern statistische Fallstricke häufiger anhand aktueller politischer Streitfragen. Aber Krämer geht an vielen Stellen stärker in die Tiefe. Zu welchem der beiden Bücher man auch greifen mag: Beide rüsten den Leser mit dem nötigen Wissen und Misstrauen aus, um in blumigen Politikerreden, am Stammtisch oder in der Zeitung aufgeblähte, schöngefärbte oder frisierte Statistiken zu entlarven.
Hanna Drimalla