Wissenschaftliche Zurückhaltung? Ein wertfreier Blick auf die Welt da draußen? Nicht Harald Welzers Sache. Der Soziologe wettert mit Verve gegen die fragwürdigen Auswüchse von Digitalisierung, Globalisierung und Konsum, skizziert, wie diese Phänomene zusammenhängen – und wie sich all das zur Gefahr für unsere Umwelt, unsere Demokratie, unser Selbstverständnis als freie Individuen hochschaukelt.
Vieles in diesem Buch ist erhellend, manches malt Welzer auch sehr schwarz – was wiederum ein erfrischender Gegenpol ist zu den gängigen Reaktionen auf die Innovationen von Google, Facebook & Co: dem Achselzucken von Politikern, deren Lebenswelt weitab des “Neulands” Internet verortet ist, oder der kindischen Begeisterung bequemer Konsumenten, die einen hohen Preis für das zahlen, was ihnen die Großen Brüder aus dem Silicon Valley vermeintlich kostenlos auf die Festplatte und das Smartphone zaubern.
Welzer wettert gegen die Gleichgültigkeit bei der umfassenden Überwachung, die sich klammheimlich eingeschlichen hat. Er warnt vor totaler wechselseitiger Kontrolle, auf die wir uns in voller Fahrt, aber offenbar bei nicht vollem Bewusstsein zubewegen. Virtuos schwingt er die Moralkeule, schleudert dem Leser zwischen Analysen und Anekdoten immer wieder Wutsätze ins Gesicht, mal ironisch verpackt, mal unwattiert. So anregend kann Aufregen sein.