Es geht um den langsamsten Fisch der Welt. Er ist halb so schnell im Wasser wie eine Weinbergschnecke an Land. Doch spielt das eine Rolle, wenn ein Wesen so anmutig tanzen kann? I wo! Wenn die monogamen Ehepartner allmorgendlich ihre Schnauzen sanft aneinanderschmiegen, ihre Greifschwänze ineinander kringeln und gemeinsam durchs Wasser schweben, ist jeder Geschwindigkeitsvergleich Nebensache.
Die Rede ist vom Seepferdchen. Dieser wohl unfischigste Fisch schwimmt aufrecht, hat keine Schuppen und keine Schwanzflosse, jedoch Kiemen und eine Schwimmblase. Wozu aber hat er einen Pferdekopf? Die Konstruktion ist ein Wunder der Evolution: Ohne Wasserverwirbelungen zu erzeugen, kann das Seepferdchen mit seiner Schnauze unbemerkt millimeterdicht an die Beute heranschwimmen und dann mit ungeheurer Kraft das Wasser samt Beute einsaugen. Es brauchte modernste Kamera- und Computertechnik, um die Strömungen vor dem Saugschnappen minuziös nachzuvollziehen.
Dem Wissenschaftsjournalisten Till Hein ist ein Buch gelungen, das für Einsteiger wie Fortgeschrittene, für Schnorchler, Taucher und Aquarianer gleichermaßen mit Gewinn und Vergnügen zu lesen ist. Er verbindet erzählerische Leichtigkeit mit biologischer Tiefenschärfe, sodass man am Ende über alle Facetten der Evolutions- und Kulturgeschichte informiert ist und auch über das Rätsel der Männerschwangerschaft und den Missbrauch des Seepferdchens als Medikament Bescheid weiß. Ilona Jerger
Till Hein
CRAZY HORSE
mare, 240 S., € 22,–
ISBN 978–3–866–48643–0