Wer gibt schon gerne zu, sich auf seine Intuition verlassen zu haben? Schließlich ist ihr Ruf nicht der beste: zu unzuverlässig, zu irreführend, zu stimmungsabhängig. In einer Umgebung, deren Risiken wohlbekannt sind, trifft dies auch zu – beim Würfelspiel zum Beispiel, im Spielkasino oder in der Lotterie. Allerdings leben wir nicht in einer Welt voller Risiko, sondern vielmehr in einer voller Ungewissheit. Ob es um Aktien, Naturkatastrophen oder die Liebe geht: Logisches Denken reicht hier nicht aus, um gute Entscheidungen zu treffen. Laut Gerd Gigerenzer, Psychologe und Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, ist es in ungewissen Situationen oft besser, sich auf das Bauchgefühl zu verlassen.
Wenn aber wirklich ein Risiko besteht, haben viele ein Problem: Was bedeutet es zum Beispiel, dass es am folgenden Tag mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent regnen wird? Und wenn man schon Schwierigkeiten beim Wetterbericht hat, wie soll man dann die Überlebenschancen bei Brustkrebs richtig einordnen? Gigerenzer konzentriert sich in seinem Buch daher auf die psychologischen Grundlagen des menschlichen Risikoverhaltens, wann Intuition nützlich ist und in welchen Fällen sich ein Blick auf eine Statistik lohnt.
Was es bedeutet, Risiken nicht korrekt einschätzen zu können, verdeutlicht er am Finanz- und Gesundheitswesen. Er erklärt, warum Prognosen aus der Finanzwelt sinnlos sind. Und dass die Frage an den Arzt nicht lauten sollte: Was empfehlen Sie mir? Sondern besser: Was würden Sie tun? Zwar ist es fraglich, ob die Fähigkeit zu einer größeren Risikokompetenz jemals, wie von ihm gefordert, in der Schule unterrichtet wird. Vielleicht ist auch seine Hoffnung, dass sich dadurch gesellschaftliche Probleme wie Übergewicht oder Rauchen lösen lassen, zu optimistisch. Doch um sich im Alltagsdickicht besser zurechtzufinden, ist dieses leicht verständliche und realitätsnahe Buch auf jeden Fall eine sehr gute Grundlage.
Franziska Konitzer, bdw 10/2013