Hunderte von Ratgebern für gesunde Lebensführung stehen in den Buchhandlungen. Die Autoren ermahnen den Leser oft mit kollerndem Pathos, dass er mehr Gemüse essen und Rolltreppen meiden soll. Daniel E. Lieberman fängt die Sache viel geschickter an. Der Paläobiologe an der Harvard-Universität erzählt einfach die spannende Geschichte des menschlichen Körpers. Sie beginnt vor vier Millionen Jahren im Regenwald. Aus purer Not entsteht aus Australopithecinen die Gattung Homo mit ihrer Fähigkeit, überschüssige Nahrungskalorien in Fettdepots zu speichern. „Die Neigung zu Übergewicht hat sich entwickelt, weil das die Fruchtbarkeit steigert”, klärt der Autor den Leser auf.
Als die neolithische Revolution den Großteil der Menschheit zu Ackerbauern macht, wird schmerzhaft spürbar: „Unsere Evolution hat nicht zwangsläufig dafür gesorgt, dass wir gesund sind.” Rund 50 Fehlanpassungskrankheiten haben sich mittlerweile entwickelt: von Diabetes Typ II bis zu Plattfüßen, von Hämorrhoiden bis zu einigen Krebsformen. Die Lebensbedingungen haben sich krass verändert, und unser Steinzeitkörper ist daran schlecht oder sogar falsch angepasst. Noch schlimmer wird es, wenn wir solche Fehlanpassungen falsch reparieren. Dann nehmen die Krankheiten weiter zu – ein Teufelskreis. Ein Beispiel ist die Zahnfäule Karies, die Folge von zucker- und stärkehaltigen Nahrungsmitteln. Menschen mit fauligen Zähnen riskieren schwere Folgekrankheiten und sind unattraktiv für Sexualpartner, also stünden ihre Chancen auf Nachkommen an sich schlecht. Die Fehlentwicklung würde sich selbst eindämmen. Aber weil westliche Gesellschaften Fluorid-Zahnpasta einsetzen und die Zahnschäden reparieren statt das Übel an der Wurzel zu packen, entsteht eine stabile Rückkopplungsschleife: Menschen mit diesem falschen Ernährungsstil haben Kinder, an die sie ihr Fehlverhalten weitergeben. Deshalb verbreitet sich Karies weltweit immer weiter – derzeit leiden 2,5 Milliarden Menschen daran.
Dies alles beschreibt Lieberman ganz unaufgeregt. Weder predigt er ein Zurück zu den Anfängen noch verdammt er die modernen Zeiten. Im Zentrum seiner Empfehlungen steht die Bewegung. Das hat man schon vielfach gelesen, aber so überzeugend noch nie. Dieses Buch hat mich, den Ratgeberverächter, von der Rolltreppe geholt.