Ein Plädoyer ist etwas für Juristen. Anwälte oder Staatsanwälte müssen flammend für die Sichtweise eintreten, die sie für stimmig halten. Mathematik gilt dagegen als reine, als abstrakte Lehre, in der richtig und falsch nicht davon abhängen, wer über ein Problem nachdenkt.
Dass ein 24-jähriger Mathematiker an einer Universität ein Plädoyer anstelle einer Forschungsarbeit verfasst, in dem er leidenschaftlich für eine neue Betrachtung der Mathematik Partei ergreift, ist wie ein Paukenschlag. Stefan Buijsmans einfache These: Mathematik ist für viele deswegen so unverständlich, abstrakt und oft auch langweilig, weil die Formeln und Grafiken, die man in der Schule büffeln muss, so wenig mit dem Leben zu tun haben.
Das anders zu machen, ist das Ziel des Schweden. Und er schafft den Spagat von Platon und Sokrates bis zu den Suchalgorithmen von Google und Netflix, besucht die ersten Buchhalter in Mesopotamien und Südsee-Völker ohne Zahlensystem und springt elegant zur Krebswahrscheinlichkeit, zur Mordstatistik in Manhattan und zu Big Data in der Wirtschaftswelt von Facebook und Co.
Buijsmans Buch überzeugt und fesselt, ganz so, wie es ein Plädoyer tun muss, und erklärt nebenbei noch leichtgängige Verständniswege in die Differenzialrechnung, die Statistik und die Graphentheorie. Eine Lektüre für alle, die den Sinn von Mathe nie verstanden haben – oder die ihn gut und spannend erklären wollen.
Tobias Beck
Stefan Buijsman
ESPRESSO MIT ARCHIMEDES
C.H. Beck, 219 S., € 18,–
ISBN 978–3–406–73951–4