Leben ist für den umstrittenen Gen-Forscher Craig Venter nichts als ein digitaler Code. Jetzt hat er ein packendes Buch über sich und seine wegweisende Forschung geschrieben.
Wenn ein Dickkopf wie Craig Venter sich etwas vornimmt, dann schafft er es auch. Das war so, als er im Jahr 2000 das menschliche Erbgut schneller entzifferte als alle anderen, und auch, als er 2010 der staunenden Welt den ersten „synthetischen Organismus” präsentierte. Das winzige Bakterium der Gattung Mycoplasma war zwar nur die künstliche Blaupause einer natürlichen Vorlage, dennoch sehen viele darin eine Zeitenwende in der Biologie. Der Mensch wird in Person von Craig Venter zum Schöpfer, der die Mittel hat, Lebewesen nach seinen Vorstellungen zu gestalten.
Über den Wissenschafts-Berserker wurde viel geschrieben, und schon deshalb ist es spannend zu lesen, wie er selbst über sich und seine Forschung denkt. Ausführlich beschreibt Craig Venter die Hindernisse, die er auf dem Weg zur synthetischen Lebensform überwinden musste. Und er berichtet auch von den Rückschlägen und Umwegen, die er wählte, weil sich die Natur nicht immer seinen Vorstellungen fügte. Der Leser schaut dem Spitzenforscher nicht nur bei der Arbeit über die Schulter, er liest auch dessen Gedanken, in denen sich wissenschaftliche Genialität mit Selbstüberschätzung verbindet.
Craig Venter liebt die Provokation. Gott erklärt er kurzerhand für überflüssig und stellt sich vor, wie seine persönliche Erbinformation als digitale Sequenz durch das Weltall rast. Dazu bräuchte es lediglich einen Sender, der stark genug ist, um Radiowellen durch die Atmosphäre zu schicken, spekuliert er. Irgendwann und irgendwo könnten Außerirdische die Nachricht empfangen, den Code entschlüsseln und dank dieser Information ihren eigenen Craig Venter klonen.
Der Gen-Forscher stellt sich in seinem Buch in eine Reihe mit seinem Vorbild, dem Physiker Erwin Schrödinger, und anderen Großen der Wissenschaft und der Philosophie. Dabei offenbart sich ein nicht unbedingt sympathischer, aber vielschichtiger Charakter, ein Quer- und Vorausdenker. Doch man muss Venter nicht zustimmen oder ihn gar mögen, um dieses Buch mit Gewinn zu lesen.
Michael Lange