Der Mann ist sterbenskrank. Sein Körper greift seit der Kindheit das eigene Lebergewebe an. Die Folge: eine sehr seltene Autoimmunhepatitis. Einige Jahre kann er damit recht gut leben, wie er sagt. Er muss zwar viele Medikamente nehmen, aber alles in allem ist er zufrieden. Dann jedoch beginnen Krankheit und Nebenwirkungen des Medikamentenarsenals sein Leben in Gefahr zu bringen, und er muss mehrmals für längere Zeit ins Krankenhaus, teilweise in sehr kritischem Zustand.
Damit beginnt die Geschichte einer Lebertransplantation, die zum großen Teil die Geschichte des Autors selbst ist – auch wenn David Wagner ausdrücklich betont: Das Ich des Buchs bin nicht ich! Die fesselnde Erzählung besteht aus einer Kette von Gedanken, die dem Protagonisten im Krankenhaus durch den Kopf schießen. Sein Leben, die Menschen, die ihm darin begegnet sind, später dann auch der anonyme Organspender und immer wieder „das Kind” – seine kleine Tochter – spielen darin die Hauptrollen. Das ist großartig: Das Buch nimmt den Leser direkt mit ins Krankenzimmer und in die Gedankenwelt des Erzählers, es vermittelt spürbar Ängste und Gefühle, ohne pathetisch zu sein oder Mitleid zu erheischen. Wagner ist für das Buch völlig zu Recht mit dem renommierten Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden.
Wer allerdings auf eine detaillierte Beschreibung der medizinischen Aspekte hofft, wird enttäuscht. Zwar kommen die Krankheit, die Operation und die Rekonvaleszenz immer wieder in den Gedankensplittern vor – die Schilderung wirkt aber eigentümlich flach. Das gilt besonders für den zweiten Teil des Buchs, der die Zeit nach der Transplantation beschreibt. Wie Wagner sich nach dem Eingriff körperlich fühlt, was sich außer der auffälligen Narbe während der Heilung verändert, wie die Nachsorge aussieht oder wie genau er sein Leben umstellen muss – all das findet sich höchstens als Anmerkung wieder.
Schade, denn hier wäre die einzigartige Gelegenheit gewesen, das komplexe Geschehen bei einer Organtransplantation einmal nicht aus ärztlicher Sicht zu beschreiben – sondern aus der Sicht eines Menschen, der ein neues Leben geschenkt bekommen hat.
Ilka Lehnen-Beyel