Die Klimaforscherin Friederike Otto hat sich als Mitbegründerin der „Zuordnungswissenschaft“ einen Namen gemacht. Sie berechnet, welchen Anteil der Klimawandel an einzelnen Stürmen, Überschwemmungen, Dürren oder Bränden hat. In diesem Buch beschäftigt sie sich allerdings vor allem mit gesellschaftlichen Fragen, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. Für sie ist diese Perspektive folgerichtig, denn als Wissenschaftlerin, schreibt sie, könne man sich nicht „neutral, außerhalb der politischen Zusammenhänge“ verhalten.
Ihre These: Die Folgen des Klimawandels treffen vor allem die Armen und vergrößern somit die Kluft zwischen Arm und Reich. So leidet etwa Schwarzafrika stärker unter den Veränderungen als Deutschland oder die USA. Aber auch in den Industrienationen vertieft der Klimawandel die soziale Kluft, weil arme Menschen sich kaum helfen können und auch weniger Hilfe zu erwarten haben. Ein Ökonom würde vielleicht von den Folgen des Neoliberalismus sprechen. Otto hat ein neues Wort geprägt, das die Wurzel des Übels weiter fasst: das „kolonialfossile“ Narrativ. Sie schlägt damit einen Bogen von der Kolonialzeit bis zum heutigen Kapitalismus. Mit acht Beispielen verdeutlicht sie ihre Gesellschaftskritik, von einer extremen Hitzewelle in Kanada über eine Dürre in Südafrika bis zu Sturzfluten in Deutschland. Das Buch ist leicht zu lesen, allerdings kommt der Lesefluss durch die vielen Gendersternchen oft ins Stocken. Klaus Jacob
Friederike Otto
Klimaungerechtigkeit
Ullstein, 333 S., € 22,99
ISBN 978-3-550-20244-5