Als der Kartograf James Randell 1798 in seine neue Karte von Westafrika die Kong-Berge einzeichnete, setzte er sich damit ein ganz besonderes Denkmal. Das mehrere Tausend Kilometer lange Gebirge tauchte danach hundert Jahre lang auf jeder Karte auf. Doch die Kong- Berge haben einen Schönheitsfehler: Es gibt sie nicht. Randell hatte sie aufgrund von Reiseberichten, die zwei Berggipfel in der Region erwähnen, erfunden. Das ist nur eine von vielen Anekdoten aus Simon Garfields hervorragender Geschichte der Kartografie, die jeden nur erdenklichen Aspekt des Themas behandelt. Garfield besuchte das Archiv der Schatzkarten der Library of Congress in Washington, zeigt den größten Atlas der Welt (1,80 mal 1,40 Meter) und erzählt von dreisten Kartendieben, wie jenen amerikanischen Benediktinermönchen, die im Jahr 1973 Bibliotheken um ihre Kartenschätze erleichterten. Und gerade wenn man denkt, der Autor sei beim letzten Detail angelangt, kommt er auf die Karte des Herumtreibers aus „Harry Potter” zu sprechen und postuliert, dass Computerspiele die Zukunft der Kartografie seien. Aber dieses Buch ist viel mehr als eine amüsante Anekdotensammlung, es zeigt auch die Geschichte der Stellung des Menschen in der Welt: In den Anfängen der Kartografie war Jerusalem im Zentrum jeder Karte zu finden, heute zeigt das Zentrum der Satellitenkarte den Handybesitzer.
Reto Schneider