Die Medizin beruft sich gern auf ihre Wurzeln in der griechischen Antike. Ihre moderne Gestalt aber gewann sie erst vor rund 200 Jahren, als Naturwissenschaftler die teils obskuren Lehrmeinungen der Ärzte in die Schranken wiesen. Wolfgang Eckart, Direktor des Heidelberger Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, hat sich auf die richtungweisenden Jahre von der französischen Revolution bis zur Gegenwart konzentriert. Fachkundig und spannend schildert er, wie es dank mikrobiologischer Forschung gelang, die Seuchen zu besiegen. Er zeigt, wie Narkose und Antiseptika der Chirurgie, einem als schmutzig geltenden Nebenzweig der Medizin, zu großen Erfolgen verhalfen und wie Prävention, Diagnose und Therapie seit Ende des 19. Jahrhunderts große Fortschritte machten.
Besonders eindrucksvoll sind die Kapitel zu den Schattenseiten der Medizin, in denen die Anfälligkeit vieler Ärzte für die nationalsozialistische Ideologie deutlich wird. Eckart erklärt, wie sich in wenigen Jahren aus zunächst theoretischen Überlegungen zur Rassenhygiene ein menschenverachtendes Gesellschaftssystem entwickeln konnte mit Gesetzen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses durch Sterilisation, mit Krankenmorden und erbarmungslosen Menschenversuchen in Konzentrationslagern. Aus der fatalen Verquickung der Medizin mit den Machthabern lässt sich vieles lernen auch für die Gegenwart.
Claudia Eberhard-Metzger