Im vergangenen September veröffentlichte Jonathan Franzen in der Wochenzeitschrift „New Yorker“ einen Essay über den Klimawandel, der so hohe Wellen schlug, dass Rowohlt ihn nun in deutscher Übersetzung als Büchlein herausgegeben hat – ergänzt durch ein Interview mit Franzen und ein langes Vorwort. Der renommierte amerikanische Romanautor, der sich seit vielen Jahren mit Umweltthemen beschäftigt, behauptet darin, die Klimakatastrophe sei nicht mehr zu verhindern. Das trug ihm üble Beschimpfungen ein. Man warf Franzen vor, er untergrabe die Klimabewegung, man unterstellte ihm sogar, ein Klimaskeptiker zu sein. Doch wer die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Forscher mit gesundem Menschenverstand einordnet, muss Franzen recht geben. Theoretisch besteht zwar noch die Möglichkeit, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Doch bisher ist es der Weltgemeinschaft nicht einmal gelungen, die Treibhausgas-Emissionen auf einem Niveau zu stabilisieren, geschweige denn herunterzufahren. Ein radikaler Wandel, wie er nötig wäre, erscheint bei wachsender Bevölkerung und zunehmendem Energiehunger sehr unwahrscheinlich.
Aber darf man als Prominenter, als Nicht-Wissenschaftler zumal, öffentlich sagen, die Zivilisation stehe am Abgrund? Oder ist man damit ein Schwarzseher, der den Menschen jede Hoffnung nimmt? Franzen sieht sich sogar in der Pflicht: Echte Hoffnung, schreibt er, brauche Ehrlichkeit. Konsequenterweise wirft er den Klimaforschern eine Mitschuld am schleppenden Klimaschutz vor, weil sie die Gefahr stets heruntergespielt hätten. Doch damit lehnt er sich weit aus dem Fenster, schließlich haben die Experten seit vielen Jahren gewarnt, auch wenn sie in ihren Prognosen stets vorsichtig waren, wie es sich für Wissenschaftler gehört.
Franzen rät, sich verstärkt um andere Probleme zu kümmern: den Artenschwund, das Flüchtlingsproblem, das Insektensterben, die Meeresverschmutzung. Auch die Demokratie brauche dringend Unterstützung, weil sie in chaotischen Klimawandel-Zeiten an Rückhalt verliere. Nur: Warum nicht Klimaschutz und alles andere mit demselben Elan anpacken? Es würde sich lohnen.
Klaus Jacob
Jonathan Franzen
WANN HÖREN WIR AUF, UNS ETWAS VORZUMACHEN?
Rowohlt Taschenbuch, 61 S., € 8,– , ISBN 978–3–499–00440–7
E-Book für € 6,99, ISBN 978–3–644–00787–1