Es ist eine einzigartige erste Begegnung. In Todesangst starrt der Habicht die erzählende Helen an. Seine Augen leuchten silbern im Halbdunkel des Zimmers. Der Greifvogel hat den Schnabel geöffnet und atmet Helen heißen Habichtatem ins Gesicht. Für Helen ist es Liebe auf den ersten Blick. „Sie ist ein Zauberkunststück. Ein Reptil, ein gefallener Engel.“ In ihrer Trauer nach dem überraschenden Herztod ihres Vaters hat sich die gelernte Falknerin ein junges Habichtweibchen bestellt, das sie, wie Falkner sagen, „abtragen“, also zähmen, möchte. Sofern dies bei Habichten möglich ist, sind sie doch offenbar die scheuesten aller Greifer.
Gekonnter Genremix
So erlebt Helen viele Momente des Scheiterns und der Angst, wenn der Habicht im Dickicht der Baumkronen verschwindet. Wird er je wieder zurückkehren? Doch „H wie Habicht“ berichtet von einem gelungenen Abtragen, von Augenblicken zarter Vertrautheit zwischen Mensch und Tier. Helen entdeckt sogar, dass Habichte spielen – der Vogel greift nach Papierkügelchen und lässt sie rollen. Das Buch ist ein gekonnter Genremix: Autobiographie, Natur- und Tierbeschreibung, all dies verbindet Helen Macdonald virtuos zu dem, was die Briten „New Nature Writing“ nennen. Die Tierbeschreibungen sind grandios. Seite um Seite strömt dem Leser warmer Habichtatem entgegen. Er riecht nach Pfeffer und Moschus und verbranntem Stein.
Helen Macdonald : H wie Habicht. Allegria.
416 Seiten, 20 €. Auch als Hörbuch erhältlich bei Hörbuch Hamburg, 450 Minuten, 19,99 €