Komplizierte Zusammenhänge auf den Punkt bringen, informativ und unterhaltsam – darin ist Bill Bryson ein Meister. Wussten Sie, dass unsere Haut außen aus toten Zellen besteht oder dass beim Niesen die feinen Tröpfchen bis zu acht Meter weit fliegen und bis zu zehn Minuten lang durch die Luft schweben können? Auch die Vergleiche, mit denen Bryson aufwartet, sind beeindruckend: So reichen unsere Blutgefäße aneinandergereiht zweieinhalb Mal um die Erde, und die vielen kleinen Lungenbläschen könnten die Fläche eines Tennisplatzes bedecken.
Aber Bill Bryson belässt es nicht beim Staunen. Für ihn steht die Evolution im Vordergrund. Er beschreibt den menschlichen Körper nicht als perfekt konstruierte Maschine, sondern als Produkt unzähliger Zufälle. Dahinter stecken Milliarden Jahre voller Experimente und Fehlschläge. Häufig musste die Evolution improvisieren, manchmal mit schmerzhaften Folgen − wie bei der Geburt. Der Geburtskanal ist durchschnittlich 2,5 Zentimeter zu eng, sodass der Kopf eines Babys bei der Geburt nur schwer hindurchpasst. Bill Bryson nennt diese Fehlkonstruktion „die schmerzhaftesten zweieinhalb Zentimeter der Natur“.
Wie ein Entdecker nimmt er seine Leser mit auf eine Tour vom Gehirn bis zu den Füßen. Er taucht ein in die Geschichte der Medizin. Aber er erzählt sie nicht nur als Serie von Großtaten und Heldengeschichten. Immer wieder lenkt er den Blick auf Irrwege der Heilkunde wie Aderlass oder Transplantationsversuche mit Tierorganen. Und bis heute gibt es Ärzte, die das Leben ihrer Patienten gefährden, das sie eigentlich retten wollen. So veranlasst ein allzu großes Ego manchen Chirurgen dazu, mehr zu riskieren, als zum Wohl seiner Patienten angebracht wäre. Aber Bill Bryson weiß auch: Ohne Ärzte und Medizin wären wir schlechter dran. Sein Buch bietet dem Leser die Chance, den eigenen Körper und dessen Macken gründlich, aber immer wieder auch schmunzelnd kennenzulernen. Michael Lange
Bill Bryson
EINE KURZE GESCHICHTE DES MENSCHLICHEN KÖRPERS
Goldmann, 672 S., € 24,–
ISBN: 978–3–442–31398–3