Sie haben Probleme, die sonst niemand kennt, und erklären sie kurzerhand zu den großen Seinsfragen – so könnte man das Vorgehen der Philosophen abfällig beschreiben. Eines dieser Probleme ist das Wesen der Zeit. Wo soll da ein Problem sein? Jeder kennt die Zeit aus täglicher, stündlicher, sekündlicher Erfahrung. Dennoch grübeln Philosophen seit Jahrtausenden darüber nach, was sie eigentlich ist.
Für Immanuel Kant war die Zeit eine Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung. Für Martin Heidegger war sie der Schlüssel für das Verständnis des Seins. Klingt kryptisch? Safranski erklärt es gekonnt. “Unser aller Lieblingslehrer” (wie ihn die Süddeutsche Zeitung nannte) verspinnt eine Unmenge von Fäden zu einer schlüssigen Geschichte – von Goethe und Proust über Einstein bis zu den zeitgenössischen Vorfiguren des Zeitmanagements.
Nur beim Versuch, den Zeitbegriff in der Newton’schen und der Einstein’schen Mechanik aufzuschlüsseln, zeigt sich, dass Safranski nicht in der Naturwissenschaft, sondern in der Geisteswissenschaft zu Hause ist – diese Zusammenhänge kann man anderswo besser und korrekter nachlesen. Doch das ist ein Nebenschauplatz. Wer eine kluge und kritische Analyse unseres heutigen Umgangs mit der Zeit und des Ringens der Philosophen mit ihr lesen will, sollte Safranskis Buch ein paar Stunden widmen.