Wissensbuch des Jahres 2019 in der Kategorie Überraschung
Biologen lieben die Wildnis. Die Suche nach neuen Arten führt sie bis zum Amazonas oder auf einsame Inseln. Hier kann die Evolution noch schalten und walten. Dabei wären diese weiten Reisen gar nicht nötig. Denn in jeder Großstadt lässt sich Evolution beobachten – und sogar die Entstehung neuer Arten.
So entdeckte der niederländische Evolutionsbiologe Menno Schilthuizen im Garten hinter seinem Stadthaus kleine Gartenschnecken, bei denen sich durch Mutation und Selektion die Farbe der Schneckenhäuser verändert hat: Sie waren heller geworden, um sich in der Sommerhitze der Stadt nicht zu stark aufzuheizen. Und im Untergrund von London fanden andere Forscher eine Mücken-Spezies, die ihren Wirt gewechselt hat. Die Insekten stechen nicht mehr Vögel, wie ihre oberirdischen Vorfahren, sondern Fahrgäste der U-Bahn. Eine neue Spezies ist entstanden: der Londoner Underground-Moskito.
Ursache für diese rasante Evolution ist der Mensch. Er hat die Lebensräume von Tieren und Pflanzen drastisch verändert oder auch zerstört. Dadurch sterben immer mehr Arten aus. Aber es entstehen auch neue ökologische Nischen in den Städten und das treibt die Evolution an. Die Vielfalt der urbanen Lebensräume wirkt wie ein Evolutionsmotor.
Mit viel Liebe zur Natur und einer Prise Humor beschreibt Menno Schilthuizen das Überleben von Tieren und Pflanzen in einer scheinbar unnatürlichen Umwelt. Mit vielen Beispielen lenkt er unseren Blick auf Lebewesen, die in der Lage sind, sich an widrigste Lebensbedingungen anzupassen. Aber er betont auch: Die überraschenden Entwicklungen in unseren Städten können das weltweite Artensterben nicht annähernd ausgleichen. Michael Lange
Menno Schilthuizen
DARWIN IN DER STADT
dtv
368 S., € 22,–
ISBN 978–3–423–28990–0