Das Essen hat seine Unschuld verloren. Aus der profanen Nahrungsaufnahme, die einfach dazu dient, satt zu werden, ist eine heikle Wissenschaft geworden. Wer auf sich hält, achtet penibel darauf, was auf den Teller kommt. Fastfood geht überhaupt nicht, und immer mehr – vor allem junge – Menschen essen prinzipiell kein Fleisch oder keine tierischen Produkte mehr. Dazu kommt: Viele Lebensmittel sind in Verdacht geraten, krank zu machen, weil sie Gluten, Laktose oder Glutamat enthalten. Denn der moderne Zivilisationsmensch leidet unter allerlei Unverträglichkeiten – von Zöliakie über Erd nussallergie bis zu Histamin-Intoleranz.
Die Wissenschaftsjournalistin Susanne Schäfer schreibt, dass sie nicht mehr für Gäste kochen kann, ohne vorher eine Umfrage zu starten, was wer nicht mag oder nicht verträgt. Obendrein sei es inzwischen üblich, bei Tisch ausgiebig über das Thema zu sprechen. „Wer alles klaglos hinunterschluckt und verdaut, sitzt dazwischen wie ein Klotz: unsensibel, unreflektiert – kurz, von gestern.” Das Zitat zeigt den Tenor des Buchs. Schäfer hat zwar Verständnis für alle, die tatsächlich unter einer Allergie oder Unverträglichkeit leiden. Doch sie hegt den – mit Studien untermauerten – Verdacht, dass viele, die sich aus irgendeinem Grund unwohl fühlen, einfach die Schuld der Ernährung zuschieben. Oder sie glauben, mit einer Diät ihre Gesundheit und ihr Leistungsvermögen zu verbessern. Bestärkt und befeuert werden sie von zahlreichen „Experten”, die mit dubiosen Tests angebliche Unverträglichkeiten diagnostizieren. Der Lebensmittelindustrie spielt das alles viel Geld in die Kassen. Kaum ein Supermarkt, der nicht ein Regal mit – überteuerten – glutenfreien Lebensmitteln eingerichtet hat. Schäfer entlarvt den Trend als reine Modeerscheinung, denn laut Studien sind nur 0,3 Prozent der Deutschen tatsächlich an Zöliakie erkrankt. Den Anteil von Lebensmittelallergikern schätzen Experten insgesamt auf 2 bis 3 Prozent – gegenüber rund 13 Prozent, die eine mit Allergie begründete Diät halten.
Höchste Zeit, dass ein Buch Gelassenheit im Umgang mit unserer Nahrung empfiehlt – und dazu durch seinen lockeren Ton noch Unterhaltungswert hat. Gut wäre es gewesen, wenn Schäfer auch den Schlankheitswahn vieler junger Mädchen zur Sprache gebracht hätte – eine lebensgefährliche Mode.