Wiese. Roter Milan. Lämmchen. Mehr braucht es nicht für diesen Einakter, der die blutige Nahrungskette in Szene setzt. Davor: Idylle mit grasenden Schafen. Danach: Idylle mit grasenden Schafen. Der Greifvogel hat ein Lämmchen gefressen. Schon die Bibel wusste: Alles Fleisch ist Gras.
John Lewis-Stempel, Farmer und Historiker, hat das Leben und Sterben auf einer Wiese protokolliert, zwölf Monate lang. Herausgekommen ist feinste englische Prosa in der Tradition des “Nature Writing”.
Der Leser begegnet einem altehrwürdigen Dachs, der Kuhfladen wendet, begleitet Kröten auf dem Weg zu ihren Laichgründen, betrachtet Kuckucksspucke und Weißdorn. Die Wiese, auf der das alles geschieht, ist 2,3 Hektar groß und umrahmt von einer Hecke. Sie gehört zu einer Farm in den Westmidlands nahe der Grenze zu Wales, die Lewis-Stempels Familie seit Jahrhunderten bewirtschaftet. Sogar ein kleiner Fluss zieht von den Bergen durch die Wiese Richtung Meer.
Der Autor präsentiert die vielfältige Flora und Fauna mit enormem biologischen und landwirtschaftlichen Wissen. Er pflegt einen stimmungsvollen, oft poetischen Stil – dabei ist er manchmal brillant, manchmal schießt er übers Ziel hinaus, etwa wenn “die babyblaue Luft den Atem anhält”. Die Information zum “International Dawn Chorus Day”, dem Tag, an dem Naturliebhaber aus über 80 Ländern dem Morgenkonzert der Vögel lauschen, wirkt ansteckend. Am 7. Mai Wecker stellen!
John Lewis-Stempel
Ein Stück Land
Dumont, Köln 2017
288 S., € 23,–
ISBN 978–3–832–19863–3
E-Book für € 18,99
ISBN 978–3–832–18980–8