Josef Reichholf schöpft aus dem Vollen. Er nimmt uns mit auf seinen Spaziergängen an Flüssen entlang und erklärt dabei, wie Gewässersysteme funktionieren. Als Zoologe weiß er nicht nur über Biber und Bisamratten Bescheid, über Wasseramseln und Bachstelzen, er schreibt auch über den abendlichen Tanz der Eintagsfliegen so schön, dass man sich danach sehnt, selbst Zeuge dieses atemberaubenden Schauspiels zu werden.
Reichholf gelingt es nicht zum ersten Mal, Naturbeschreibungen in ökologische und ökonomische Kontexte einzubetten, sodass ein hochpolitisches Buch entsteht. Sein Anliegen ist zu zeigen, dass das Trockenfallen der Flüsse oder Flutkatastrophen nicht nur Folgen des Klimawandels sind, sondern eine Art „Rache“ für unsere Eingriffe. Auwälder wurden gerodet, Feuchtgebiete trockengelegt, Zuflüsse begradigt. Und mittlerweile wird Mais sogar an Hängen angebaut, sodass das Regenwasser mitsamt den Pestiziden ungebremst nach unten schießt.
Reichholfs Fachwissen über Gewässerökologie ist enorm, 30 Jahre lang hat er an der TU München darüber Vorlesungen gehalten. Keinesfalls aber ertrinkt der Leser in zu vielen Details, und er bleibt auch nicht vor lauter Umweltfreveln frustriert zurück. Im Gegenteil: Begeistert beschreibt Reichholf, wie gut die Wunden verheilen können, die wir den Flusslandschaften zugefügt haben. Immerhin leben in der Millionenstadt München nach der Renaturierung der Isar wieder Biber. Ilona Jerger
Josef H. Reichholf
FLUSSNATUR
Oekom, 304 S., € 24,–
ISBN 978–3–962–38285–8