Am Anfang von Svante Pääbos Weg stand, wie er schreibt, das „romantische Interesse” an altägyptischen Mumien. Hinzu kam große Begeisterung für die Möglichkeiten, die die aufstrebende Molekularbiologie Anfang der 1980er- Jahre bot – auch dem neugierigen jungen Medizinstudenten an der Universität Uppsala. Der hatte einen Traum: mit molekularbiologischen Mitteln die Menschheitsgeschichte zu entschleiern. War es vorstellbar, dass winzige Reste der Erbsubstanz DNA in abgestorbenem Gewebe jahrtausendelang erhalten blieben? Wenn ja, konnte man daraus vielleicht etwas über längst vergangene Menschen und Kulturen ableiten. Pääbo begann heimlich zu experimentieren. Mit einem Stück roher Kalbsleber und deftigen Kommentaren der Laborkollegen fing alles an.
Sein Buch endet an Weihnachten 2010, als er auf ein Ausnahmejahr zurückblickt. Die DNA des Neandertalers sowie einer weiteren, allein durch genetische Analyse entdeckten Menschenform – Denisovaner genannt – sind sequenziert: Die Forscher haben die Abfolge der genetischen Bausteine ermittelt. Daraus ziehen sie spannende Schlüsse über Verwandtschaftsverhältnisse und Wanderbewegungen, genau wie der junge Student in Uppsala es sich erträumt hatte. Zwischen diesen beiden Stationen liegen 30 Jahre – und massive Enttäuschungen. Die Methoden der modernen Paläogenetik sind extrem anfällig gegen Verunreinigungen durch heutige DNA.
Aber der von seiner Arbeit besessene Pääbo gab nie auf. Nach mannigfachen Rückschlägen der Verzweiflung nahe, führte er 1990 an der Universität München erstmals die DNA-Analytik im Reinraum ein und stellte einen pingeligen Verhaltenskodex gegen das Einschleppen von Fremd-DNA auf. Heute selbstverständlich – damals eine Pioniertat. Weil das Buch diesen Weg in allen Einzelheiten nachzeichnet, hat es das Zeug zum Wissenschafts- Klassiker. Aber es ist keine lockere Lektüre, ebenso wenig wie Pääbos Weg locker und leicht war. Der heutige Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig zeichnet sich immer noch durch Detailbesessenheit und beharrlichstes Hinterfragen aus – was manche Mitarbeiter im Stillen stöhnen lässt. Aber sie geben zu: Wenn Svante etwas für wissenschaftlich koscher erklärt, dann ist es das auch.
Thorwald Ewe