„Wie sollte man ihnen erklären, dass es großartig gewesen war? Musste man ihnen, die vielleicht sogar jemanden dort verloren hatten, dann nicht wie ein Ungeheuer vorkommen?” Die Rechtsmedizinerin Elisabeth Türk schreibt diese Zeilen über ihre Zeit in Thailand, als sie in einem internationalen Team die Toten nach dem großen Tsunami 2004 identifizierte.
Bei Außentemperaturen von bis zu 50 Grad Celsius arbeiten die Experten in Vollkörperschutzanzügen, der Schweiß steht in ihren Gummistiefeln und sie haben Berge von Leichen vor sich. Sie nehmen Zahnabdrücke und DNA-Proben. Die enorme nervliche Belastung treibt die Forensiker aus aller Welt durch ein Wechselbad der Gefühle. Elisabeth Türks Zusammenbruch kommt später, daheim in Hamburg, als alles vorbei und der Alltag banal ist.
Die Beschreibungen sind das Besondere und Herausragende an diesem Buch, das die Rechtsmedizinerin zusammen mit dem Gerichtsjournalisten Ulf G. Stuberger geschrieben hat. Elisabeth Türk, die an mehreren deutschen und englischen Instituten gearbeitet hat, erklärt detailliert und verständlich an vielen Beispielen, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt: Wie sie zum Beispiel Tote mit dem Gesicht zucken lässt, um den Todeszeitpunkt zu bestimmen, oder was sie aus der Verteilung von Blutspritzern erkennen kann. Und sie beschreibt eindrucksvoll, wie es ihr bei ihrer ungewöhnlichen Arbeit ergeht.
Thomas Willke, bdw 10/2013