Unscheinbar kommt er daher, der Satz auf Seite 178: „Seit 15 Tagen ist Mabel nun bei mir.” Der längst gefesselte Leser stutzt und fragt sich verblüfft: „Wie, 15 Tage erst? ” Helen Macdonald hat ihn mithilfe des Habichtweibchens Mabel auf eine Zeitreise entführt, die keinen Abbruch erlaubt. Es ist eine Jagd durch die Geschichte der Falknerei, mit Geschichten voller Leidenschaft, voller Niederlagen und Erfolge – Geschichten, die im besten Fall in eine unauflösliche Partnerschaft zwischen Mensch und Raubvogel münden. Aber nicht immer.
Helen Macdonald ist Historikerin und Philosophin an der Universität Cambridge. Ihre Sprache ist poetisch in der Beschreibung der Natur, scharf beobachtend, bis hin zu den Dialekten der Buchfinken, illusionslos und rational in der Analyse: „Ich habe den Habicht als Spiegel meiner selbst benutzt.”
„Wie man einen Habicht fliegt” (Falknersprache) ist nur vordergründig das Thema. In Wirklichkeit geht es um den Umgang mit dem Tod. Um das Trauma, das der Tod des Vaters auslöst, und um den Versuch, sich mit der Abrichtung des „wildesten aller wilden Vögel” selbst zu therapieren. Aber auch um die Rechtfertigung des Todes, den der Habicht bringt, wenn er, von der Faust der Falknerin befreit, das Kaninchen schlägt, „das doch auch leben wollte”.
Ein hartes Buch. Und wunderschön.