Bei der Beerdigung ihrer Mutter fasst die schwedische Journalistin Karin Bojs den Entschluss, mehr über ihre Herkunft zu erfahren. Sie lässt ihre DNA untersuchen, spricht mit Genforschern, Anthropologen und Archäologen, und immer wieder reist sie an Fund- und Grabungsorte.
Der Ursprung aller Europäer liegt im Nahen Osten vor etwa 54 000 Jahren. Damals lebten dort Jäger und Sammler der Spezies Homo sapiens, die aus Afrika eingewandert waren. Jahrtausende verbrachten sie in der Nähe von Neandertalern. Das genetische Erbe beider Gruppen findet sich heute im Erbgut aller Europäer. Wie es zu der Vermischung kam, kann sich Karin Bojs ausmalen. Fantasievoll beschreibt sie ein „Trollkind“, das bei einer Homo-sapiens-Sippe aufwächst. Allen ist klar: Es ist ein Sapiens-Neandertaler-Mischling, entstanden bei einer kurzen Affäre oder durch eine Vergewaltigung. Die Spuren dieser Verbindung prägen die Europäer bis heute.
„Meine europäische Familie“ ist eine abwechslungsreiche Lektüre, sorgfältig recherchiert und ohne Polemik. Nur gelegentlich erlaubt sich die Autorin Ausflüge in die Fantasie. Nationale Mythen über die Herkunft verschiedener Völker finden in ihrer Analyse keinen Platz. Zugleich entgeht Karin Bojs der Versuchung, einen neuen europäischen Mythos zu schaffen. Sie bleibt bei den Fakten – wohl wissend, dass der Forschungsstand nicht in Stein gemeißelt ist.
Karin Bojs
Meine europäische Familie
Die ersten 54 000 Jahre
Theiss/WBG, 431 S., €29,95
ISBN 978-3-806-23674-3
Teilen: