Ausgeglichener, zufriedener, freier, wohlgelittener bei den Mitmenschen, widerstandsfähiger gegenüber Werbetricks und Verlockungen, die einem teuer zu stehen kommen – all das sind Eigenschaften von Menschen, die sich ihrer Würde bewusst sind, ist Gerald Hüther überzeugt. Der Neurobiologe hält die Würde für einen inneren Kompass, „der uns dabei hilft, nicht nur so zu handeln, dass andere dadurch nicht verletzt werden, sondern dass wir uns dabei nicht selbst verletzen“.
Warum, fragt Hüther, scheint uns dieser hilfreiche Kompass abhanden zu kommen? Seine Antwort lautet: Digitalisierung, Beschleunigung des Alltags, zügelloser Kapitalismus nehmen uns die Orientierung. Das menschliche Gehirn ist formbar, weil unsere neuronalen Verschaltungsmuster, anders als bei Tieren, nicht angeboren sind: „Wir müssen als Einzelne, aber auch alle zusammen, erst lernen, worauf es im Leben ankommt.“
An welchen Stellschrauben also sollten wir drehen, um „menschlichere Menschen“ zu werden? Falsche Frage, meint Hüther. Wir sollten gerade nicht versuchen, an Schrauben zu drehen. Den Menschen als Objekt zu begreifen und nicht als Subjekt, hält er für die Wurzel aller Würdelosigkeit. Und so plädiert er dafür, in Kindergärten, Schulen und Universitäten eher Werte statt Wissen zu vermitteln.
Hüther fordert Mut zur Muße, zu einem bewussteren Umgang mit der Welt und mit uns selbst. Er macht klar, warum die Suche nach dem Kompass lohnt. Und warum uns dabei kein GPS helfen kann.
Gerald Hüther
Würde
Knaus, 188 S., € 20,–, ISBN 978–3–813–50783–6
E-Book für € 16,99, ISBN 978–3–641–21920–8
Hörbuch für € 15,90, Lagato, ISBN 978–3–955–67998–9