Zum Glück nehmen die Autoren selbst ihr mutiges Werk nicht in jeder Zeile bierernst – wobei „Denken wie ein Neandertaler” sehr wohl ein seriöses wissenschaftliches Sachbuch ist. Aber man tut sich eben schwer, seine Behauptungen beweiskräftig zu belegen, wenn man sich an Themen wagt wie „Konnten die Neandertaler Witze erzählen?” oder „Wovon träumten die Neandertaler?”. Schließlich sind die Studienobjekte bereits vor Zehntausenden von Jahren ausgestorben.
Da tut es gut, dass der Archäologe Thomas Wynn und der Psychologe Frederick L. Coolidge die Begrenztheit ihrer Schlussfolgerungen einräumen und ihre Reise in den Neandertaler-Kopf mit einem Schuss angelsächsischer Ironie servieren. Worauf die Autoren zurückgreifen können, sind im Wesentlichen die Werkzeug- und Fossilienfunde, die die Neandertaler hinterlassen haben, sowie generelle Erkenntnisse über die Kognitionsprozesse bei Affen und Menschen.
Das Buch ist allgemeinverständlich geschrieben. Man lernt während der Lektüre eine Menge Grundsätzliches über das Verhalten der Neandertaler und über das wissenschaftliche Verfahren der „Theory of Mind”, den systematischen Versuch, in den Kopf eines anderen Wesens zu blicken und zu erkennen, was für Bewusstseinsvorgänge dort ablaufen – wenn man sich auch nicht allen Ergebnissen anschließen muss, zu denen Wynn und Coolidge gelangt sind.
Thorwald Ewe