Der Titel irritiert: Er suggeriert, dass das „Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitäts-Syndrom” (ADHS) gar nicht existiert – so wie viele Ratgeber, die behaupten, mit mehr Sport und weniger Medienkonsum wäre das Problem leicht zu beheben. Doch was Richard Saul schreibt, ist eindrucksvoll. 50 Jahre lang hat der Kinder-und Jugendpsychiater erlebt, dass viele Menschen mit einer festen Meinung zum Problem ihrer Kinder zu ihm kommen: Das muss ADHS sein!
Doch oft machte Saul andere Ursachen für die mangelnde Konzentrationsfähigkeit und das gestörte Verhalten der Kinder ausfindig. Exemplarisch stellt er in seinem Buch einige seiner jungen Patienten vor und beschreibt die manchmal geradezu detektivische Arbeit bis zur Diagnose. Dabei sind manche Ursachen ganz trivial, zum Beispiel Fehlsichtigkeit oder leichte Schwerhörigkeit.
Schwieriger zu diagnostizieren sind Lern- und Wahrnehmungsstörungen, die manchmal mit ADHS verwechselt werden. Selten stecken Anfalls leiden hinter den Störungen wie kurze epileptische Anfälle oder psychische Erkrankungen, die sich auf die Konzentration auswirken, manchmal auch Schilddrüsenerkrankungen und Schwermetallvergiftungen, etwa durch alte, bleihaltige Wandfarbe hinter einem Möbelstück, die ein Kind beim Spielen abgekratzt und gegessen hat.
Der Autor plädiert dafür, ADHS nicht vorschnell zu diagnostizieren, sondern gründlich andere mögliche Ursachen abzuklären. Und dafür gibt er hilfreiche Anregungen und Informationen.