Ein Wald aus 100 Milliarden Nervenzellen – so sieht Sebastian Seung das menschliche Gehirn. Oben berühren sich die Zweige und schaffen so ein einzigartiges Biotop für die Persönlichkeit jedes Menschen. Die Nervenzellen bauen im Lauf des Lebens untereinander unzählige Verbindungen auf – und dieses „Konnektom” ist der Schlüssel, um das Gehirn und insbesondere das Bewusstsein zu verstehen, meint der Autor, Neurowissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology.
Der Schaltplan im Kopf ist nicht genetisch festgelegt, sondern reagiert auf die Umwelt: Verbindungen bauen sich auf oder ab, manchmal kommen neue Nervenzellen hinzu, andere sterben ab. „Wir wollen das Gehirn nicht nur verstehen, wir wollen es verändern”, schreibt Seung. Wenn sich das Konnektom gezielt beeinflussen ließe, könnte man zum Beispiel manche psychische Erkrankung erfolgreicher behandeln. Bislang wurde allerdings nur das Konnektom des Fadenwurms kartiert, der ganze 300 Nervenzellen besitzt.
Doch bald sollen erste Verbindungskarten einzelner Hirnregionen des Menschen entstehen. Neue Methoden der Bildgebung und vor allem der Interpretation der gewaltigen Datenflut werden dafür gerade entwickelt. Doch was wäre, wenn sich menschliche Konnektome vollständig entschlüsseln ließen? Könnte man dann den „Geist” digital abspeichern und so unsterblich machen? Der Autor nimmt sich auch solche Spekulationen gründlich vor.
Antonia Rötger