Fernab vom plumper Ratgeberliteratur und ohne ideologische Scheuklappen entführt der Autor den Leser zu einer Geisterfahrt der Seele, die vom Muffensausen des Steinzeitmenschen bis zu hoch technischen Bildern der Hirntätigkeit reicht. Dabei stellt er auch bizarre Angstauswüchse vor. Etwa den Komiker Heinz Erhard, der seine Sozialphobie mit einer Brille aus Fensterglas bekämpfte, durch die er das Publikum nur verschwommen sah. Oder die bei asiatischen Männern verbreitete Angst, ihr Penis könne in den Bauchraum zusammenschrumpfen.
Heilmethoden, die wie schlichte Entspannungstechniken bei Angststörungen nichts bringen, werden kurzerhand abserviert. Auch an der Tendenz, alles auf die Mutter zu schieben, und an modischen Ressentiments gegen Psychopharmaka lässt Bandelow kein gutes Haar. Und es ist ihm wichtig, dass sich Angstpatienten nicht noch zusätzlich Angst machen lassen, indem man ihnen einredet, ihr Problem ginge ohne fachmännische Behandlung unweigerlich in eine chronische Psychoneurose über: Die übersteigerte Angst ist oft ein Leiden, das sich mit der Zeit von alleine legt. Bandelow betont: “Ab dem 40. Lebensjahr bessern sich die Angstkrankheiten zusehends, und es kommt fast nie vor, dass sich über 50-Jährige wegen einer Angsterkrankung bei mir zur Behandlung melden.”
Bandelow präsentiert ein Bündel geprüfter Anti-Angst-Methoden. Aber er lässt auch keinen Zweifel daran, dass Angst oft als “Superbenzin” für den Erfolg fungiert. “Angst vor dem Versagen, vor dem Abgewertetwerden, vor der Mittelmäßigkeit treibt die Menschen auch dazu an, anerkannte Schauspieler, Schriftsteller, Maler, Sportler, Politiker oder Wissenschaftler zu werden.” Eine Aufforderung an alle, ihre Angst nicht blind zu bekämpfen, sondern sie erst einmal zu verstehen.
Rolf Degen