Schätzungsweise 100 Billionen Mikroorganismen bevölkern jeden Menschen, vorzugsweise das Innere des Darms und des Mundes sowie die Oberfläche der Haut. Das sind zehn Mal so viele Zellen, wie ein Erwachsener Körperzellen besitzt. Sie lassen sich über 1000 verschiedenen Arten zuordnen. Wenn es diesen Bewohnern gut geht, hilft das auch dem Vermieter, dem Menschen. Und wenn sie sich nicht wohlfühlen, dann wird er krank.
Fast im Wochenrhythmus gibt es neue erstaunliche Erkenntnisse dazu. So lernten Mäuse, nachdem man sie mit einer fleischhaltigen Kost gefüttert hatte und sich die Lebenswelt in ihrem Darm anschließend veränderte, besser als ihre fleischlos ernährten Stammesgenossen. Und sie waren auch weniger ängstlich. Wissenschaftler vermuten, dass das Nervensystem im Mäusedarm auf die unterschiedlichen Darmbewohner reagiert. Allerdings ist fraglich, ob und wie sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. Fest steht: Wer Diabetes, Allergien oder Übergewicht verstehen will, muss über die Darmbewohner Bescheid wissen.
Ein großes Plus des Buchs: Die Autoren – beide sind Wissenschaftsjournalisten und studierte Biologen – gehen den Verheißungen von Ernährungsindustrie und Gesundheitsaposteln nicht auf den Leim. Sie erklären, warum Probiotika nicht halten, was sie versprechen. Sie hinterfragen Darmspülungen, Sanierungen des Verdauungsapparates sowie Entschlackungskuren und bieten dazu kritische Informationen. Was sie empfehlen, ist eine abwechslungsreiche Ernährung als Training für Darm und Bakterien. Schließlich müssen die Bakterien das verwerten, was wir ihnen vorsetzen.
Die bunte Aufmachung des Buchs wirkt zwar auf den ersten Blick kindlich naiv, aber das täuscht. In lebendiger, lockerer Sprache liefern Charisius und Friebe fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse.
Michael Lange